Bauch, Beine, Po

Letzens war es soweit. Zwei ghanaische Kolleginnen trafen mich beim Mittagessen. Erst grüßten sie freundlich, dann senkten sie den Blick hinab zur Tischkante wo sich mein Bauch befand. „Michael, you are expanding“, sagte die eine kühl und die andere nickte dazu. Wäre ich Chef eines börsennotierten Unternehmens würden jetzt die Aktien steigen. Leider bin ich aber nur eine First Lady in Ghana und eine Expansion dieser Art führt eher zum Wertverlust. Zeit, eine Kurskorrektur vorzunehmen.

Schon ein paar Monate zuvor hatte ich selbst Anzeichen des Verfalls wahrgenommen und zögernd Gegenmaßnahmen ergriffen. Zum Beispiel laufe ich ganz gerne, doch an eine abendliche Joggingrunde ist bei dem Klima nicht zu denken. Freunde und ich haben zwar eine kleine Laufgruppe gegründet, die sich Sonntagmorgens um 6 Uhr im ehemaligen botanischen Garten der hiesigen Universität trifft. Leider kollidiert der Termin allzu häufig mit dem Sozialleben, das traditionell am Samstagabend stattfindet. Nach einer ausführlichen Party um 5 Uhr morgens aufstehen und joggen gehen, das ist auf Dauer keine Lösung.

Fitness-Studio. Wie ich schon dieses Wort verabscheue. Immer muss ich dabei an einen Werbespot aus den 80er denken, wo zu den Worten „Stu-stu-stu-studioline – von L’Oreal“ ein paar Popper Föhnwelle voraus durch eine Papierwand springen. Aber es hilft nichts, es muss sein. Im Angebot waren verschiedene Etablissements, die meisten davon unklimatisiert. Am Ende entschied ich mich für eines mitten in der Stadt, mit guten Geräten, annehmbarer Temperatur, aber absoluter Staugarantie auf dem Weg zurück nachhause.

Gleich zu Anfang nahm sich ein so genannter Personal Trainer meiner an. Eigentlich wollte ich nicht, aber ich schien keine Wahl zu haben. Mittlerweile finde ich das gar nicht schlecht. Er wird pro Trainingseinheit bezahlt, weshalb er regelmäßig anruft und fragt, wann ich wieder komme. Das motiviert, denn so viele glaubwürdige Ausreden kann ich gar nicht erfinden.

Auch verfügt er über ein erstaunliches Portfolio an fiesen Übungen. Besonders eine ist mir noch in schmerzhafter Erinnerung, von der immer behauptet, ich würde sie noch nach drei Tagen in den Beinen spüren. Er hat recht. Gerne legt er mich auch mit falschen Versprechungen rein. Während ich mich ächzend von einer Übung zur nächsten schleppe, verkündet er, das sei jetzt aber die letzte. Also gebe ich alles. Danach deutet er schweigend auf eine weitere. Protestieren nützt nichts. Er grinst nur und sagt, give me 30.

Sehr hübsch ist es am Nachmittag, wenn sich verschiedene Kindergruppen zum Sport einfinden. Auf der Bank vor dem Übungsraum warten die kleinen Libanesen, Amerikaner, Ghanaer und Deutschen und tragen fesche Karateanzüge. Dann kommen viele andere Kleine im rosa oder weißen Tütü heraus, weil die Ballettstunde aus ist, und rennen auf wartende Mütter oder Nannies zu. Alles quietscht und quatscht durcheinander, in zehn Sprachen gleichzeitig – herrlich.

Abends, habe ich beschlossen, gehe ich nicht mehr hin. Das liegt zum einen daran, dass das Studio dann unerträglich voll wird, zum anderen am Publikum. Vor einigen Tagen stieg neben mir eine Frau aufs Laufband. Erst fummelte sie minutenlang umständlich ihren Ipod ans computergesteuerte Fitnessgerät. Dann zog sie irgendein Schriftstück aus der Tasche und las es, während sie ein paar Minuten ging. Schließlich rannte sie etwa drei Minuten mit Vollgas, um dann krachend die Stopptaste zu drücken.

Später aß sie wahrscheinlich Astronautennahrung und hatte Telefonsex mit einem Profi, der das in unter 30 Sekunden schafft, während sie gleichzeitig online ihr Wertpapierdepot umstrukturierte. So viel Professionalität ist mir unheimlich. Da trainiere ich lieber nachmittags gemütlich mit den anderen First Ladies. Auch der Personal Trainer ist dann konzentrierter und kümmert sich nicht um fünf Kunden gleichzeitig, selbst wenn das im Sinne meiner schmerzenden Bauch- und anderen Muskeln gar nicht schlecht wäre.

Ein, zwei Gürtellöcher habe ich mir im Nahkampf schon selbst abgerungen. Was sagen die ghanaischen Kolleginnen dazu? Nichts, sie schauen mir nicht mehr auf den Bauch. Ist das jetzt ein gutes Zeichen?