D.’s erste Dienstreise

Ein unmöglicher Strand! Nur Palmen und weißer Sand!

Nein, nein, nein! Und nochmals NEIN! Meine Schuld ist es nicht! Und überhaupt! First Lady hin oder her, ein persischer Mann hat natürlich immer Recht und da lass ich mich auf nichts ein! Und kommt mir bloß nicht damit, ich wäre ja ein deutscher Staatsbürger! Gerade diese Tatsache macht mein Verhalten richtig. Denn in Deutschland sind Männer- und Frauenfreundschaften bekanntlich möglich. „Die Zeit“ hat sogar ein ganzes Magazin dem Thema „Freundschaften“ gewidmet (Zeit Magazin 05/2012).

Ihr fragt sicherlich was passiert ist? Das Ungeheuerlichste! D. geht auf eine Dienstreise nach Deutschland und lässt mich ganz alleine hier in Afrika zurück! Als ob das nicht genug wäre, verwehrte Sie mir sogar ausdrücklich die Mitreise!! Ich habe doch nicht mein Paschaleben an den Nagel gehängt, damit sie die weite große Welt rettet, während ich hier in dieser todlangweiligen Stadt meine Jugend vergeude. SO hatten wir nicht gewettet!

Ungeheuerlich! Wie soll ich bitte schön meinen Beitrag zum Weltfrieden leisten, wenn ich nicht mit ihr reisen darf, sie geistig-moralisch unterstützen, bei den Terminen und Empfängen in Deutschland meine neuen Anzüge, Hemden und Krawatten vorzeigen kann, was Prickelndes trinken, bei Gesprächen mit anderen FLs wichtige Informationen aufschnappen und ihr das mitteilen kann, damit sie allen anderen immer einen Schritt voraus ist? Was ist das bitte schön für ein FL-Dasein?!

Wisst ihr was sie mir sagte, als ich dabei war meine 3 Koffer zu packen um mitzufliegen? “Schatz, warum packst du denn deine Koffer? Du willst doch nicht etwa mitkommen?!” Als ich sie völlig sprachlos und entsetzt anschaute, hat D. wohl realisiert, in ein riesen Fettnäpfchen getreten zu sein. Nun versuchte sie die sinkende Titanic zu retten. Schnell schob sie hinterher  “Aber nach der Wettervorhersage wird genau in der Woche die sibirische Kälte nach Deutschland kommen. Es soll bis zu -20 Grad werden! Das wären für dich 50 Grad Unterschied und du hasst ja die Kälte!” Als ob ich meinen Beitrag zur Rettung der Welt von ein wenig Kälte abhängig machen würde! D. merkte wieder, dass sie mit dem Satz die unglaublichen Wassermassen, die sich Deck für Deck in die Titanic ergossen nicht nur nicht aufgehalten, sondern sie dadurch erst recht beschleunigt hatte. Also versuchte sie zu retten was noch zu retten war und sagte: “Schatz, geh’ doch Michael H. besuchen, das wäre toll. Ihr könntet euch nach so langer Zeit wieder connecten.”

Dazu müsst ihr wissen, dass M.H. ein guter Freund von uns aus der AFG-Zeit ist. Einer dieser Menschen, mit denen Mann den ganzen Abend vor lauter Lachen Bauchschmerzen bekommt. Der Haken an der Sache ist, dass er zur Zeit im Süd-Sudan arbeitet. Nein, ihr habt euch nicht verhört! S Ü D – S U D A N! Mal ganz davon abgesehen, dass ich in Juba nicht bei ihm übernachten kann (obwohl er eine sehr gute Position hat, wohnt er wohl in einem Container in dem gerade er selber unterkommen kann) und daher 7 Tage lang – natürlich aus eigener Tasche! – pro Nacht etwa 200 Dollar für ein schäbiges Hotelzimmer zahlen müsste, gibt es dort mindestens 3 Sorten Malaria und auch noch einen beinahe Krieg mit dem Sudan.

Wie ihr euch vorstellen könnt, war ich völlig am Boden zerstört und hatte fast Tränen in den Augen! Soweit ist es nun mit mir gekommen! Meine Frau will mich nicht mitnehmen, weil sie mir den Flug nicht bezahlen will. Denn ihr Arbeitgeber hat – zumindest noch nicht – das Konzept und die Wichtigkeit des FL-Daseins akzeptiert und übernimmt daher nicht meine Reisekosten. Zumindest konnte ich mir keinen anderen Grund vorstellen warum D. mich nicht dabei haben wollte…

Ich war hin- und hergerissen wie ich nun reagieren soll. Sollte ich sie anbrüllen und ihr alles um die Ohren hauen, oder Verständnis aufbringen und ihr das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, gerade jetzt wo das Kind eh in den Brunnen gefallen war und ich nicht mitreisen würde. So selbstlos wie ich bin, habe ich mich natürlich für die zweite Option entschieden. Denn immerhin leistet ihre Arbeit einen sehr wichtigen Beitrag dazu, eurer ruhiges und luxuriöses Leben in Europa unbehelligt weiter fortführen zu können! Mit anderen Worten, ich habe meine persönlichen Bedürfnisse wegen euch beiseite geschoben!

Also schritt ich zur Tat und sammelte alle meine Kräfte zwischen diesen Wassermassen zusammen, setzte ein sehr freundliches Gesicht auf, so als ob in den letzten Minuten die Titanic nicht zum Sinken verdammt war. “Schatz, das ist in der Tat eine geniale Idee! In den Süd-Sudan wollte ich schon immer! Dort kann man wohl sehr gute Bilder schießen. Das wäre die perfekte Gelegenheit meine neue Digitalkamera, die mir zum Geburtstag geschenkt worden ist, ausprobieren. Mache dir also keine Sorgen! Ich werde dich von Juba aus unterstützen!“ Gerne hätte ich D.’s Gesichtsausdruck, der vor  Erleichterung und Freude über ihren genialen Einfall, damit den Untergang der Titanic wie durch ein Wunder verhindert zu haben, fotografiert!

Soviel zu der offiziellen Version.

Natürlich wollte ich das nicht auf mir sitzen lassen und erst recht nicht in den Süd-Sudan gehen. Und noch weniger gedachte ich eine Woche meiner schönen Jugend alleine in meinem goldenen Käfig zu vergeuden. Also brütete ich die nächsten Tage darüber, wie ich aus dieser Misere rauskommen kann. Einen Flug nach Deutschland zu buchen, kam nach der Geschichte gar nicht in Frage (D. hat ja auch nicht Unrecht. Bei -20 Grad ist es echt kein Spaß nach Deutschland zu fliegen). Trotz vieler schlafloser Nächte ist mir nichts, aber auch gar nichts eingefallen. Gerade als ich mich meinem Schicksal ergeben wollte, erhielt ich wie durch eine göttliche Fügung von einer Freundin (C.) eine E-Mail, die sich nach mein Wohlergehen erkundigen wollte.

So leichtsinnig wie C. war, hat sie darin so etwas wie “ich könnte dich ja mal demnächst besuchen kommen” erwähnt. Wie jemand der seit Wochen nichts gegessen hatte und nun an einem All You Can Eat Buffet angekommen ist, habe ich mich auf diesen Satz geworfen und mit jeder Menge Tricks und hier und da sogar mit der einen oder anderen kleinen Notlüge versucht, C. davon zu überzeugen, dass sie mich genau in dieser Woche besuchen muss, in der D. auf ihrer Dienstreise war (C. habe ich natürlich nicht erzählt, dass D. an dem Wochenende verreist war, sonst wäre mein Plan aufgeflogen). Mir gereichte es zum Vorteil, dass C. noch nie eine Fernreise gemacht hatte und mir alles abkaufte, was ich ihr erzählte (ab Mitte Februar wäre Regenzeit – eigentlich ist sie frühestens April/Mai – die High Season wäre ab März – eigentlich im Dezember/Januar – ich werde dich keine Minute alleine lassen, damit du dich nicht langweilt usw. usw.). Nach dem alles unter Dach und Fach und der Flug nach Nairobi gebucht war, sagte C. zu mir, sie habe schon immer davon geträumt nach Sansibar (Tansania) an dem Strand zu gehen und es wäre ja selbstverständlich, dass sie nicht alleine hinfliegt.

Nun, mit dieser Wendung meines Planes hatte ich wirklich nicht gerechnet. C. und ich alleine an einem romantischen Strand?! Hui, das konnte ich ja D. nie vermitteln! Belügen konnte ich sie nicht, weil es sofort auffliegen würde. C. wollte für 2 Wochen zu uns kommen,  D. aber  war nur eine Woche verreist.

(M)ein Bett…

 

Leider direkt mit dem Blick auf dem Ozean!

Nun, wie eingangs gesagt: meine Schuld ist es NICHT! Hätte D. mich mitgenommen, wäre es nicht dazu gekommen. Und überhaupt. C., eine Italienerin, ist eine meiner ältesten und besten Freundinnen, beruflich sehr erfolgreich und verabscheut nichts mehr als FLs. Zu befürchten war aber – ihr kennt Frau – dass diese Tatsachen D. nicht wirklich überzeugen würden.

End of Story: Ich sitze gerade an einem wunderschönen Strand, es ist angenehme 30 Grad, meinen Blog schreibe ich mit Blick auf den indischen Ozean, es gibt soweit das Auge reicht weißen Sand mit Palmen, wir machen ausgedehnte Sonnenuntergangspaziergänge und das Schlürfen der all abendlichen Gin Tonics, um uns vor Malaria zu schützen, könnte kaum entspannter sein.

Unmöglich sich zu konzentrieren!

Mit oder ohne Gin Tonic!

Aber! Bei all diesen todlangweiligen Ablenkungen habe ich nicht vergessen meinen Beitrag zu Rettung der Welt zu leisten! Tagein, tagaus rief ich D. an, schrieb ihr SMSe, brachte sie zum Lachen und versuchte dabei so wenig wie möglich von Sansibar zu erzählen, in der festen Überzeugung, dass durch diese Unterstützung sie die sibirische Kälte in Deutschland überwindet und so die Welt und eurer luxuriösen Leben retten wird.

Ich sage euch, als FL hat Mann es nicht einfach!