Frühstück machen, aber richtig

Lieber Markus,

weil ich derjenige bin, der die Espresso-Maschine bedienen kann, mache ich morgens den Kaffee. Einer perfiden Logik zufolge muss ich, da ich ja ohnehin schon in der Küche stehe, auch gleich einen Honig-Toast zubereiten. Das geht nun schon eineinhalb Jahre so, und da ich repetitive Tätigkeiten jeder Art ablehne, arbeite ich täglich an der Optimierung des Frühstückmachens.

Vielleicht fragst Du, was es an diesem Mini-Frühstück denn zu optimieren gibt? Eine Menge, antworte ich Dir. Milchkaffee und gleichzeitig Honig-Toast zu machen, ist nämlich vor allem eine Frage der Organisation. Besonders dann, wenn ich direkt nach dem Aufstehen damit beauftragt werde. Neben der bloßen Herstellung soll ja auch alles auf dem Punkt sein: Die Butter weich, der Toast warm, die Milch schaumig und heiß. Es ist wie Gehirn-Jogging im Schlafrock.

Optimierung, also. Seit eineinhalb Jahren arbeite ich täglich schlaftrunken an den wirklich wichtigen Fragen. Schalte ich erst die Kaffeemaschine ein, um sie vorzuwärmen, und hole dann das Geschirr aus dem Schrank? Der Schrank liegt auf dem Weg zur Kaffeemaschine. Was ist mit der Butter, die selbst im tropisch heißen Ghana zehn Minuten braucht, um im Freien streichfähig zu werden? Und wie verhindere ich, dass der Milchschaum in sich zusammenfällt, während ich den Toast schmiere?

Es sind die kleinen Tricks, die in keinem Handbuch stehen. Theoretisch müsste ich beispielsweise die Blechkanne zum Milchaufschäumen festhalten, während der Dampf aus der Espressomaschine in sie hinein zischt. Dann könnte ich allerdings das Toasten erst beginnen, nachdem der Milchschaum fertig ist. Das wiederum ginge auf Kosten des Schaums, der Bläschen für Bläschen langsam wieder wegploppt. Beginne ich hingegen mit dem Toasten und dampfstrahle währenddessen die Milch, ist sie meist noch nicht schaumig und die Butter noch zu hart, wenn der Toast gebräunt aus der Versenkung auftaucht. Und während ich weiter Butter und Milch bearbeite, wird der Toast wieder kalt.

Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich die Milchkanne zwischen Abtropfgitter und Dampfdüse festklemmen kann. Da steht sie nun von selbst, ich bin nun für anderes frei. Zum Beispiel, um zum Kühlschrank zurückzulaufen und Zucker zu holen. Wegen Ameisen und anderen gierigen Getiers stehen die meisten Lebensmittel hierzulande im Kühlschrank. Deshalb haben wir mittlerweile auch zwei.

Es hat sich bewährt, dass ich, bevor ich zum Kühlschrank gehe, den Toast hinab in den Toaster drücke. Während die Milch weiterschäumt, wird der Toast auf Stufe 4.5 ansatzweise gold-braun. Ein wenig  Bräunungsspielraum ist eingeplant. Den brauche ich für den Fall, dass nachgetoastet werden muss, was passiert, wenn sich einer der anderen Schritte auf dem Weg zum Frühstück verzögert. Manchmal sind nämlich die Zuckerwürfel alle. Dann muss ich die Reserve im Tiefkühlfach angreifen, fülle sie in die Zuckerdose um, kippe die Hälfte daneben (die Ameisen freuen sich), nehme ein Stück heraus, gehe zurück zu Kaffeemaschine und Toaster.

Liege ich gut in der Zeit, kann ich nun den Siebträger mit Espresso befüllen und das Häufchen feststampfen. Früher schäumte hinter meinem Rücken gelegentlich die Milch über. Heute behalte ich, während ich stampfe, die Milchkanne genauestens im Blick. Dann flutschen die Toasts nach oben, der Zucker ist schon platziert, Löffel und Messer für den Honig liegen bereit. Mit dem Messer schabe ich dünne Butterplatten ab und lege sich auf den Toast, wo sie sich schmelzend mit ihm vereinen. Alles ist gut.

Nach geschätzten 400 Mal Frühstück in Ghana zubereiten, gerate ich nun immer öfter in eine Art Trance, den kosmischen Fluß des Machens und des Nicht-Denkens. Danach erwache ich im Stehen und halte auf einem Tablett ein fertiges Frühstück in Händen. Nur hin und wieder und aus nicht erklärlichen Gründen gerät alles aus den Fugen. Dann schäumt die Milch über, der Toast wird schwarz, die Butter bleibt hart, der Honig fließt davon, und der Kaffee wird bitter.

All das lässt sich irgendwie meistern. Aber wie bei einem Computerspiel gibt es aber auch hier den nächsten Level, den höheren Schwierigkeitsgrad. Als ich E. diesen Brief an Dich vorlese, räuspert sie sich und sagt, bei der Gelegenheit wolle sie mir sagen, was ihr seit langem auf dem Herzen liege.

Jetzt kommt’s. Es ist nämlich so, dass sie die geschmolzene und in den Toast hineingesogene Butter gar nicht so mag. Tatsächlich bevorzugt sie jene dünnen, kühlen Butterplättchen, die den warmen Toast, quasi als Puffer zwischen Aufstrich und Brot, im knusprigen Zustand bewahren und seine Matschwerdung hinauszögern.

Schön, dass es auch für die verbleibenden 270 Tage in Ghana immer noch Optimierungspotential gibt.

Viele Grüße aus Accra,

Michael