Würden Sie diesem Mann ein neues Taxi kaufen? Vielleicht schon, aber warum denn bloß? Geduld, die Antwort kommt gleich. Auf dem Rückweg vom grantigen Österreicher (heutiges Motto: „immer diese Sch… Diesel!“), der den Service für unser Auto erledigt, gehe ich von der Werkstatt zur nächsten Straßenecke und nehme mir eines der Taxis, die dort stehen. Es ist dasselbe wie immer: die älteste Karre mit dem ältesten Fahrer darin – Joseph.
Joseph hat mich einmal derartig beeindruckt, dass ich nicht mehr anders kann, als all die jüngeren Fahrer mit ihren viel schickeren Autos und dicken Soundsystems auszulassen und immer wieder auf ihn zurückzugreifen.
Vor zwei Jahren, als ich wieder mein Auto in der Werkstatt gelassen hatte und zur Straßenecke gelaufen war, standen dort drei Taxen. Die hatte ich schon bei der Anfahrt zur Werkstatt gesehen, und sie standen immer noch da. Das Taxi-Business an diesem Tag schien wohl nicht so recht zu laufen. Deshalb wollte ich den Fahrer nehmen, der hier schon am längsten auf einen Kunden wartete. Zwei Fahrer lehnten draußen an ihren Autos. Ich fragte, wer von ihnen drei denn der Unglückliche sei. Beide deuteten auf einen alten, blauen Toyota. Darin saß Joseph.
Die Werkstatt liegt in einem ganz anderen Teil von Nairobi. Ich musste ihm erst einmal erklären, wohin ich wollte. Wie einigten uns auf einen Preis und fuhren los. Das Auto war in einem schrecklichen Zustand, aber es fuhr, und das war das Wichtigste. Nach einer Weile musste ich Joseph Anweisungen geben – hier links, da rechts, jetzt geradeaus, dann hatten wir unser Ziel erreicht.
Beim nächsten Werkstattbesuch, ein paar Monate später, ging ich wieder auf die Straßenecke zu und überlegte mir wieder, welches Taxi ich nehmen sollte. Dabei fiel mir auf, dass Joseph nicht da war. Ich fragte die jungen Männer in ihren schicken Kisten. Der hätte einen sehr schweren Unfall gehabt. Wäre schwer verletzt. Das Auto sei Schrott. Mehr wüssten sie auch nicht.
Wieder einige Monate später, vielleicht ein Jahr, nachdem mich Joseph, das erste und einzige Mal nach Hause gefahren hatte, war er wieder da. Ich setzte mich neben ihn. Lange nicht gesehen, wie es denn ginge, fragte ich. „Oh“, sagte er, „oh, ein schwerer Unfall, ein Matatu hat mich gerammt, war wochenlang im Krankenhaus“, zog die Mütze ab und zeigte auf eine richtig große Delle in seinem Kopf.
Er setzte die Mütze wieder auf. Wir fuhren los, ich dachte noch, na, hoffentlich ist bei dem alles klar, da oben. Sein Auto war repariert worden und war noch schlimmer als zuvor. Gerade wollte ich ihm sagen, wohin ich wollte, da erwiderte er, das sei doch nicht nötig, das wisse er doch. Nach einer halben Stunde Fahrt hatten wir unser Ziel erreicht. Der alte Mann hatte sich nach einer einzigen Fahrt, die ein Jahr zurück lag, präzise daran erinnert, wo ich wohnte.
Seitdem war klar: Joseph war der Taxifahrer meiner Wahl.
Auch heute steht die alte Kiste am gewohnten Ort. Ich setze mich hinein. Er trägt wie immer seinen Nadelstreifenanzug. Wie es ginge. Oh, gut. Und der Familie? Ach, auch sehr gut. Ob er denn Kinder hätte? Aber natürlich, und sechzehn Enkelkinder dazu. Ich schweige beeindruckt. Das Auto kracht, als wir über die Bodenwellen fahren.
„Na, das hört sich aber nicht gut an“, wechsle ich das Thema.
„Ja“, bestätigt er, „ich bräuchte dringend mal ein Neues.“
Kurzes Schweigen.
„Wollen Sie mich vielleicht sponsern?“
„Sponsern?“
„Für ein gutes Auto bräuchte ich 500,000 Kenya Shilling. 200,000 würde ich für die alte Karre hier bekommen. Es fehlen 300,000. Die könnten Sie mir doch geben.“
Ich lache und denke, na klar 3,000 Euro, einfach so.
Aber Joseph meint es ganz ernst.
„Ich verdiene am Tag 2,000 Shilling. Dann brauche ich Benzin, Miete, Essen. Ich könnte 500 Shilling pro Tag abbezahlen.“
Ich rechne still vor mich hin. 500 Shilling am Tag macht 15,000 Shilling im Monat, macht 20 Monate für 300,000 Shilling.
„Natürlich würden wir einen Vertrag machen“, hakt er nach.
Ich wiege den Kopf hin und her.
Joseph merkt, dass ich zögere. Er will den Knoten auflösen: „Am besten wir überlassen es Gott. Der wird es wissen,“ sagt er.
Als wir zuhause angekommen sind, bitte ich ihn um ein Foto. Macht er gerne.
Zum Abschied winkt er: „Und denken Sie drüber nach!“
Der Wächter, der mir das Tor öffnet, freut sich: „Ach, da ist wieder der alte Joseph und sein altes Auto!“
„Ja, und jetzt will er, dass ich ihn sponsere.“
Ich kichere. Aber Collins bleibt ganz ernst.
Ich erzähle ihm die Kreditmodalitäten, so wie Joseph sie mir geschildert hat.
„Das ist eine gute Sache, Sir“ versichert der Wächter. „Viele machen das so. Und wenn er 20 Monate braucht, den Kredit zurückzuzahlen, dann zahlt er einfach ein halbes Jahr länger. Das wäre dann Ihr Profit.“
Auch der Gärtner, der sich gerade Bahn durch die Büsche bricht, meint, das sei durchaus lohnenswert.
So komme ich noch vor dem Frühstück zu einem kleinen Unternehmer-Stammtisch.
Während ich Richtung Haustüre gehe, rechne ich still vor mich hin: 20 plus sechs Monate. Das wäre ein Profit von 30 Prozent, fünfzehn pro Jahr. Gar nicht mal schlecht. Besonders nachdem ich gelesen habe, dass europäische Banken mein Guthaben demnächst mit einem Strafzins belegen wollen. Und steuerfrei obendrein.
Konsumieren soll ich wohl, auf Teufel komm raus. Den Kapitalismus fördern. Ja, wenn das so ist! Warum also nicht gleich selbst zum Kapitalisten werden, und ins Taxigeschäft einsteigen?!