Irgendwo las ich unlängst, dass ein starker Schluss für eine gute Rede ebenso wichtig ist wie ein starker Einstieg. Der Mittelteil hingegen könne sich gerne etwas ziehen. Das kennt man auch von klassischer Musik. Wenn nach viel Gefiedel das Orchester noch einmal alles gibt, verlassen vom finalen Tusch tief bewegt alle mit klingelnden Ohren den Saal. Als ich in Frankfurt beim Abflug die Auslage eines Souvenirstandes betrachtete, fragte ich mich: Braucht eigentlich auch ein Land einen starken Abgang, wenn die Gäste wieder gehen?
Ich war auf dem Weg nach Bahrein, sicherlich keines der großen Ziele internationalen Flugverkehrs. Deshalb war diesmal Terminal 2 angesagt, gleich hinten links bei den E-Gates, die auf dem großen Frankfurter Flughafen in der tiefsten Provinz liegen. Das merkte ich vor allem daran, dass die gesamte Abfertigung nur ein paar Minuten dauerte. Auf dem Land gibt’s keine Staus. Kein Vergleich mit dem Auftrieb an Terminal 1.
Vor dem Abflug-Gate gab es noch einen kleineren Supermarkt, mit einer Auswahl Zeitungen, Getränken, irgendwelchem Duty-Free-Krempel und Souvenirs aus Deutschland. Weil ich noch so viel Zeit hatte, schaute ich die Sachen mal genauer an und war ehrlich erstaunt. Denn gäbe es einen Lexikoneintrag zum typischen Deutschland-Mitbringsel, lautete dieser:
„Souvenir aus Deutschland, das – Kleines bis mittelgroßes Gefäß, das zur Aufnahme von Alkohol geeignet ist. Trägt oft neutrale Aufschriften, wie „Bier“ oder Schnaps“, auch zusammenhangslose wie „Gruß aus Deutschland“ und manchmal auch solche mit positiven, ggf. polarisierenden Aussagen wie „Das beste Bier der Welt.“
Im Großen und Ganzen gab es an diesem Souvenir-Stand also Bier- und Schnapsgläser zu kaufen. Auch ein Bembel, das Profi-Tool zum Ebbelwoi-Verzehr war dabei. Ich lief ein paar Mal ungläubig rund um das Regal. Dabei entdeckte ich noch Flaschenöffner mit der Aufschrift „Gruß aus Deutschland“ und auch Kühlschrankmagneten in Bierkrugform.
Zuerst war ich noch zur Verteidigung des Vaterlands bereit. „Ist ja nur ein ganz kleiner Stand“, dachte ich, „die mussten halt stark selektieren.“ Als ich aber noch bierseelige Kugelschreiber und Feuerzeuge fand, war es vorbei mit der Vaterlandsliebe. Der Inhalt dieser geschätzt zwei Quadratmeter großen Auslage war das Konzentrat, oder besser: das Destillat deutscher Kultur.
Beim Besuch fremder Länder fällt auf, dass sich zur Außendarstellung eines Landes nur sehr wenig eignet und im Umkehrschluss auch nur sehr wenig gebraucht wird. Letztens fuhr ich am Flughafen Zürich mit einer total futuristischen Bahn von einem Terminal zum anderen. Dabei wurde im leise elektrisch säuselnden Hightech-Ambiente Kuhglockengeklingel und Jodeln eingespielt. Draußen vor den Fenstern waren auf den Heckflügeln der Maschinen weiße Kreuze auf rotem Grund zu sehen. Das genügte schon.
Vor über 20 Jahren hatte ich einmal Disneyworld in Florida besucht, genauer gesagt, das EPCOT-Center, das damals die Welt auf ein paar Quadratkilometern abbilden wollte. Das so dann so aus: Afrika, also damit ich meine ich den gesamten Kontinent und nicht, wie Sarah Palin, ein Land, war eine klapprige Holzhütte, mit der Aufschrift „Desert Outpost“, also Wüsten-Außenposten. Es gab Getränke zu kaufen.
Deutschland wurde immerhin symbolisiert durch eine kurze gepflasterte Straße eingerahmt von Fachwerkhäusern in deren Erdgeschossen sich schnucklige Lädchen befanden. Im ersten gab es Kuckucksuhren, im zweiten Porsche-Modellautos und im dritten Bahlsen-Kekse. Am Ende der Straße standen Bierbänke und darüber hing ein großes Transparent auf dem „All Year Oktoberfest“ geschrieben stand.
Nach einigen weiteren Reisen seitdem plus die Aufenthalte in Ghana und Kenia bin ich nun dem Schluss gekommen, dass Deutschland, wenn überhaupt, dann eine bayerische Leitkultur hat. Danke, ich kann den Aufschrei des Protests bis hierher hören. Aber: Noch in jedem Land gab es bisher im Oktober ein Oktoberfest mit Bier, Weißwürsten und Blasmusik. Zahlen habe ich nicht, aber der Bekanntheitsgrad des Wortes „Oktoberfest“ dürfte die der größten deutschen Marken übertreffen. Von Apfelwein, Kässpätzle oder auch Currywurst keine Spur.
Insofern macht der Souvenirstand am Frankfurter Flughafen die Sache gar nicht schlecht. Mehr noch: Er zeigt die Defizite vieler anderer Repräsentanten Deutschlands auf. Warum trägt der Außenminister nicht Hut mit Gamsbart, warum die Kanzlerin nicht ein schmuckes Trachtenjankerl. Auch sollten sie wie Marianne und Michael als „Angela und Guido“ durch die Welt touren, und die ganzen Titel und Nachnamen einfach weglassen. Versteht ja sowieso keiner. Letztens nannte eine sudanesische Zeitung den Außenminister Mr. Jido Fister Filly. Bei Nichtverständnis bitte laut und englisch aussprechen.
Apropos starker Abgang. Herr Fister Filly steht ja wohl gerade vor einem solchen. Bitter, aber wie immer sehe ich Krise auch als Chance. Mit dem Gamsbart auf dem Hut und einem Crash-Kurs im Bierfässer aufschlagen eröffnet sich ihm eine ganz neue Perspektive als Oktoberfest-Botschafter. So muss er nicht so schlimme Dinge wie militärische Hilfe bieten, sondern kann einfach während und nach dem Kampf für ein bisschen All Year Gemütlichkeit sorgen. Ein Prosit derselben.