Taxifahren in Kenia macht mehr Spaß als in Ghana. Dank besseren Zustands der hiesigen Fahrzeuge hat man Zeit und vor allem Nerven, dem Radio zu lauschen, anstatt sich, wie in Ghana, um das eigene Wohl zu sorgen. So erfuhr ich vor einigen Tagen, dass es in Kenia seit neuestem eine Sperrstunde für Alkoholausschank gibt und diese wegen Protesten der Wirte gleich wieder ausgesetzt wurde. Das an sich ist nicht so erstaunlich, Sperrstunde kennen wir aus England. Interessant war allerdings, wie einige kenianische Frauen darauf reagierten.
Eine unserer ersten Taxifahrten in Ghana werde ich nie vergessen. Es war ein alter Opel Kombi, und die unverkleidete Ladefläche hinter den Sitzen zeigte ein großes Rostloch. Wir konnten nicht nur den unter uns vorbeirasenden Asphalt sehen, sondern hatten auch den Auspuff im Blick. Der hatte auch ein Loch und entließ seine Gase daher nicht hinter dem Wagen, sondern direkt ins Innere. Handelte es sich um das Sondermodell Opel Astra „Suizid“? Gibt es Gasmasken als Aufpreis pflichtiges Extra? Gehörte der versuchte Mord an den Fahrgästen zum Geschäftsmodell?
Dagegen sind kenianische Taxis sehr solide. Ich kann die Türe öffnen, ohne das Fenster herunterkurbeln und den Außengriff betätigen zu müssen. Sitze halten, was sie versprechen und sind keine Bandscheiben-Killer. Blinker funktionieren, werden vom Fahrer als solche erkannt, benutzt und überdies von anderen Verkehrsteilnehmern verstanden. Überhaupt scheinen Autos hier in Nairobi in besserem Zustand zu sein. Nur einmal habe ich bisher eine dieser unglücklichen Karossen gesehen, denen ein Schlagloch ein Vorderrad weggefetzt hat. Wie ein Tier mit gebrochenem Vorderlauf sitzen sie traurig und still auf der Straße. In Ghana gehörte dieses Bild zum Alltag.
Radio hören; man kann also beim Taxifahren in Nairobi Radio hören. Und so kam ich an die Meldung mit dem Alkoholausschank. Offensichtlich durfte der kenianische Trinker noch vor kurzem seiner Berufung bis spät in die Nacht nachkommen. Dann sollte die Sperrstunde eingeführt werden, um 23 Uhr sollte Schluss sein. Dagegen hatte allerdings der Verband der Barbesitzer in einem Bezirk protestiert, die Verordnung war erst einmal zurückgestellt worden. Tags darauf las ich der größten Zeitung hier, „Daily Nation“, von einer Demonstration einer Frauengruppe für die erneute Einführung der Sperrstunde.
Demonstration wäre zu viel gesagt; dem Bild nach zu urteilen handelte es sich um ein Demonstratiönchen mit etwa 10 Teilnehmerinnen. Frauen mit selbstgemalten Plakaten, denen seltsamerweise zwei mit Männern bemannte Motorräder vornewegfuhren. Klein oder nicht, immerhin hatten sie es in die Zeitung geschafft. So erfuhr ich die Hintergründe des Protestes. Es ging nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Männer, die durch kraftvolles Trinken geschmälert wird. Eine Sprecherin der Demonstrantinnen sagte wörtlich: „Während die Sperrstunde in Kraft war, sind unsere Männern aus den Bars in unsere Betten zurückgekehrt und haben ihre ehelichen Pflichten erfüllt. Jetzt sitzen sie wieder in den Bars.“
Das gibt zu denken. Jede Frau in Kenia hat 2008 statistisch gesehen 4.8 Kinder zur Welt gebracht. In Deutschland waren es nur 1.4. Dafür trinken wir viel mehr. Sehr viel mehr. 2001 kippten die Deutschen im Durchschnitt 13 Liter reinen Alkohol, die Kenianer nur etwa 2 Liter.
Gibt es da einen Zusammenhang? Saufen wir uns etwa ins Niemandsland? Sollten wir auch die Sperrstunde einführen? Und, wenn wir schon dabei sind, gleich das Fernsehen nach 21 Uhr abschaffen? Fußballspiele nur noch am Samstagnachmittag senden, Vorabendserien erotisch aufwürzen, Nachrichten in Dessous und Tanga verlesen lassen, damit die Abende im Sinne der Geburtenrate genutzt werden? Die Sittenpolizei sinngemäß umfunktionieren, und bei Nichterfüllung der Vorschriften müssen „Sozialstunden“ abgeleistet werden? Sind eheliche Pflichten eigentlich im Grundgesetz verankert? Sollten sie ab sofort Bestandteil von Eheverträgen werden? Oder einfach öfter mal in den Städten zentral das Licht ausschalten? Fragen, Fragen, Fragen.