Für die Präsentation des „Damenprogramm“ reiste ich im Oktober vergangenen Jahres zur Frankfurter Buchmesse, gab Interviews, wurde fotografiert und war sogar im Fernsehen. Es lief super, aber dann hatte eine Radio-Redakteurin keine Lust auf das Buch. Rollentausch von Mann und Frau? Das sollte heute doch normal sein, sagte sie und lehnte ab. Genau. Sollte. Ist es aber nicht. Das wusste ich damals schon, und jetzt, als frischgebackener Vater, erst recht.
Vor ein paar Tagen schrieb mir meine Freundin Kathrin aus Berlin, wie erstaunlich sie doch sei, diese Parallelwelt, die sich Menschen auftut, sobald sie Kinder haben. Schon ein einziges genüge als Eintrittskarte zu Kindergeburtstagen, Schulkonzerten, Elternabenden und Spielgruppen, wozu Kinderlose für gewöhnlich keinen Zutritt haben.
Tatsächlich habe auch ich, seitdem die kleine B. bei uns ist, ein Dauerticket für die Loge in meinem ganz persönlichen Kindertheater. Auf dem Programm steht täglich eine 24-stündige Aufführung mit Zuschauerbeteiligung. Immer öfter fragt sich der Erziehungsberechtigte-Schrägstrich-Alleinunterhalter (jedenfalls solange E. im Büro ist): Was tun mit dem Kleinkind, das den lieben langen Tag nach Wissen dürstet und nach „action“ giert.
In Kenia gibt es keine Spielplätze auf denen ich, während B. herumtollt, mit den anderen Müttern auf einer Parkbank sitzen und über Windeln, Laktose-Intoleranz oder Einschlafprobleme debattieren könnte. Wir haben hier nur eine privat veranstaltete Spielgruppe in unserem Wohngebiet. Im Wochentakt wandert sie von Haus zu Haus, und eine engagierte Mutter mailt dazu eine Excel-Tabelle mit dem aktuellen Austragungsort herum.
Jeden Dienstag gegen halb vier gehen B. und Babaa die Straßen entlang und suchen die richtige unter den wirr verteilten Hausnummern. Nummer 2 ist direkt neben Nummer 69, und nach 63 kommt gleich 239. Hier bin ich schon oft spazieren gegangen und habe die Bougainvillea-bewachsenen Hecken bewundert. Neu ist, dass ich nun eingelassen werde und die Grundstücke und Häuser von innen sehen darf. Genau wie Kathrin sagte: „Eintrittskarte in eine Parallelwelt“.
Vorbei am salutierenden Wächter wackeln B. und ich durchs Tor und betreten den Garten. Auf Picknickdecken sitzen ein Dutzend Kinder, die sich Popcorn und Stücke von der Wassermelone in den Mund stopfen. Neben ihnen sitzen eher dickliche Kenianerinnen in gleicher Zahl. Das sind die Nannys. Die Hausherrin selbst hält sich vornehm zurück, weil, wie es heißt, die Nannys gerne unter sich bleiben würden.
Mir egal: Ich bin jetzt Vater, ich darf alles. Ich setze B. auf eine Decke. Eine Fremd-Nanny reicht Popcorn und Melone, das Kind beginnt zu kauen, ich spüre pures Glück. Für B. weil sie Essen liebt. Für mich, weil ich jetzt nicht performen muss. Ich schleiche mich samt Lektüre in einen Liegestuhl im Hintergrund und linse nur sicherheitshalber gelegentlich über den Rand des Buches.
Pah, höre ich Euch jetzt sagen, allein unter Frauen. Das sind doch alles Nannys, das gilt nicht. Oder hat wer schon von einer männlichen Nanny gehört!? Wie würde so eine(r) überhaupt heißen? Nanno, Nannerich oder Nannster. Korrekt heißt es laut Bunte, dem Fachblatt für die gehobene Pädagogik, wohl Manny. Aber hat irgendjemand wirklich schon Mal einen leibhaftigen Manny gesehen?
Allein unter Frauen – ich habe noch mehr Beweise. Mittwochmorgens findet, ebenfalls in einem Haus in der Nachbarschaft, eine Spielgruppe statt, dieses Mal mit professioneller Anleitung durch eine Erzieherin. Hier mischen sich meist ein knappes Dutzend Nannys und Mütter – und ich. Einen anderen Vater habe ich da noch nie gesehen, und die einzig anwesenden Männer sind die auf dem Parkplatz herumlümmelnden Fahrer der Mütter.
Und schließlich ist da noch die Spielgruppe im Baumhaus, die B. und ich an den anderen Tagen besuchen. Auch dort bin ich bei “Old Mcdonald had a Farm” und anderen Klassikern die einzige Bass-Stimme im Chor der Altos und Soprane und tanze Ringelreihen, dass sich die Balken biegen. Zwar erscheinen gelegentlich Väter, aber die beschränken sich auf Zubringerdienste und geben die Kleinen wie Pakete an der Türe ab.
Muss ich noch mehr erzählen? Sollte ich dereinst eine Fortsetzung meines ersten Buches schreiben, dann wäre mein Wunschtitel: „Damenprogramm – jetzt erst recht“.