Das Essen – Eine der größten Herausforderungen der Welt

Der Traum alle Singles und Studenten*

Nein. Es geht nicht um den arabischen Frühling, der seinen Ursprung auch in den sehr teuren Lebensmittelpreisen hatte. Nein, auch geht es nicht darum, dass 925 Millionen Menschen an Hunger leiden (Quelle: FAO, Stand 2010). Es geht noch weniger darum, wie die größten Firmen dieser Welt mit den Nahrungsmitteln spekulieren, dadurch die Preise in die Höhe treiben und somit zum Obengenannten enorm beitragen (Lesenswert: foodwatch report 2011, Die Hungermacher, wie Deutsche Bank, Goldmann Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren).

Und erst recht geht es weder um die Subventionen der EU in Höhe von unglaublichen 37 Milliarden Euro pro Jahr (Stand 2009) noch darum, dass die westliche Welt Tonnen von Lebensmitteln nur deswegen vernichtet oder zu Dumpingpreisen nach Afrika exportiert, um damit die Lebensmittelpreise und ihre Gewinne stabil hoch zu halten, wohl wissend, dass nicht nur allein in Deutschland über 7 % (rund 1,3 Millionen) der Kinder (in relativer) Armut leben (Quelle: www.armut.de) und daher kaum bis wenig zum Essen haben, sondern auch dieses Vorgehen gerade in Afrika die Lebensgrundlage vieler Bauern vernichtet und sie in die (absolute) Armut treibt.

Es geht um ganz etwas anderes! Um meinen täglichen Überlebenskampf in einem lebensfeindlichen Umfeld! Kurzum – wie Miss. Piggy zu sagen pflegt – es geht um MOI!

Ein normaler Arbeitnehmer in Europa kann sich gar nicht vorstellen wie schwierig und zeitintensiv das tägliche Überleben einer First Lady (FL) mitten in Nairobi sein kann. Es ist eine ganz einfache Rechnung. Ein Mensch, will er gesund leben, muss pro Tag mindestens drei Mahlzeiten zu sich nehmen. Von den kleinen Häppchen zwischendurch mal ganz abgesehen. Das sind pro Woche 21 Mahlzeiten, pro Monat – je nachdem ob er 28, 30 oder 31 Tage hat  –  rund 90. Multipliziert man das nun mit sechs (für 6 Monate Sabbatical) kommt man auf die unglaubliche Zahl von rund 550 Mahlzeiten!

Ich weiß was ihr gleich sagen werdet: „Hirbod heul doch nicht so rum! Du bist in Nairobi. Dort gibt es alles zum Essen, von A wie Avocado über D wie Dorade bis Z wie Zitrusfrüchte. Du hast eine Frau, die dich jeden Abend bekocht, es gibt tolle Restaurants, du hast ein üppiges Taschengeld zur Verfügung und Zeit wie Sand am Meer, um dir was zu kochen. Also geh’ uns nicht auf den Nerv!“

Das ich nicht lache!!! Ihr hört euch ja an wie ein katholischer Priester (meine katholischen Freunde mögen verzeihen), der einem Ehepaar mit 4 Kindern Ratschläge erteilt, wie es  seine brachliegende Beziehung und sein S.leben wieder in die Gänge bringen und nebenbei die Erziehung der Kinder verbessern kann! Ihr habt ja KEINE Ahnung von diesem täglichen und dramatischen Überlebenskampf. Daher behaltet bitte eure so tollen Ratschläge für euch und hört meine Probleme an. Solltet ihr dann wirklich lebensnahe Vorschläge – am besten aus der eigenen Erfahrung – haben, dann werde ich euch vielleicht zuhören…

Die Probleme (nein ich verwende absichtlich nicht das positiv besetzte Wort „Herausforderungen“, weil man bei 550 Mahlzeiten ein wirkliches Problem hat. John Swigert von Apolo 13 hat auch nicht etwa gesagt: „Huston wie have a challenge!“) sind sehr vielfältig. Zum einen muss ich mir überlegen wie eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung aussieht und zum anderen für so viele Mahlzeiten nicht nur die Einkäufe erledigen, sondern auch noch kochen. Nach den Erfahrungen der Studienzeit und des Singledaseins, wo man sich von Ravioli oder Ähnlichem wochenlang ernährt hat, oder gar gefrorene Fertiggerichte wie Käpt’n Iglo für 2,99 Mark kaufte und es für eine Delikatesse hielt, habe ich, wie die meisten von euch, solche dramatische Erinnerungen, dass ich nicht mal in die Nähe eines dieser Produkte gehen würde, ganz von der Tatsache abgesehen, dass es hier solche Markenwaren nicht gibt. Auch von Nudeln habe ich die Nase weitestgehend voll. Die „Nudelphase“ habe ich in Zentralasien (ZA) hinter mich gebracht. Wegen meines Arbeitspensums blieb mir weder die Zeit zum Einkaufen noch zum Kochen. Ein halbes Päckchen Barilla-Nudeln mit einer Fertigsoße, verfeinert mit dem aus Deutschland mitgebrachten Serrano-Schinken bzw. den Parmesankäse  waren über 2 ½ Jahre die Lösung meines täglichen Überlebenskampfs.

 

Stolze 20 Kg Serrano-Schinken

 

Nach wenigen Tag des Hungerns

Glückliche Leute wie ihr, die täglich arbeiten, kennen gar nicht dieses Problem. Das Mittagessen wird euch ja quasi abgenommen. Ihr geht in ein Restaurant oder in eure Kantine und schaut einfach was es gibt. Eure einzige Herausforderung (nun passt das Wort) ist es a) zu entscheiden, in welches Restaurant ihr gehen wollt (der Italiener, der Türke, die deutsche Küche, etc.) und b) aus dem Menü etwas auszusuchen. In aller Regel wird euch sogar die zweite Entscheidung abgenommen, weil es in fast allen Restaurants ein Businesslunch für unglaubliche 6 bis 12 Euro gibt. Und schon sind rund 185 Mahlzeiten erledigt. Ähnlich verhält es sich mit dem Frühstück. Die meisten von euch frühstücken entweder nicht, weil sie sehr früh außer Haus müssen oder sie essen ein Croissant bzw. ein belegtes Brot beim Bäcker ums Eck. Schon sind wieder 185 Mahlzeiten eliminiert.  Mit dem Abendessen verhält es sich in aller Regel nicht viel anders.

Diesen Luxus kenne ich nicht. Da ich nicht das Privileg habe zu arbeiten, sondern von morgens bis abends zu Hause oder besser gesagt in meinem goldenen Käfig sitze, muss ich mir – will ich nicht verhungern und damit meine Familie und meine Freunde traurig und niedergeschlagen hinterlassen – eine Überlebensstrategie zurechtlegen, ganz nach dem Vorbild von Robinson Crusoe.

Hierzu benötige ich natürlich erst einmal Werkzeuge. So vorrausschauend wie ich war, habe ich nicht alle unsere Sachen von ZA nach Belgien in ein Lager gesendet, sondern habe unsere guten Messer und drei Töpfe mitgebracht. Die besten Töpfe und Messer sind nichts wert, wenn man nicht weiß, was man kochen will. Also müsste ich meine Kochbücher mitbringen. Im Internet kann man ja nicht nach Rezepten suchen, denn regelmäßig lande ich auf den Seiten von „Brigitte“, „Du darfst“ und Co., wo es nur so von Diäten, Vegetarischem oder Tofurezepten wimmelt! Igittigitt!!! Wie einige von euch wissen, koche ich sehr gerne mit Gewürzen. Also müsste ich einen Teil meiner Gewürzsammlung mitbringen und Freunde und Familienmitglieder die mich besuchen bitten, das mitzubringen was hier nicht erhältlich ist (z.B. getrogenen aromatisierten persischen Zitronen,  getrocknete Rosenblätter und Orangenblüten sowie, Wacholderbeeren).

Mein Werkzeug (eine Auswahl)

Ich erspare euch die dramatischen Szenen an dem UZ-Air- und vor allem Emirate-Schalter, als ich versuchte mein Überlebenskit nach Afrika zu schaffen. Sie wollten für mein 120 kg Übergepäck (insgesamt hatte ich 180 kg) jeweils unglaubliche 1.500 $ Übergewichtszuschlag haben. Auch erspare ich euch meine Odyssee, das Problem für rund 500 Dollar zu lösen (nein, ich habe den Damen am Schalter NICHT meine Dienste angeboten, sondern alles via Luftfracht nach Nairobi gesendet).

Ich dachte damit wäre das Problem gelöst! Mitnichten! Das Problem fing erst richtig an. Ein Beispiel: Es gibt hier nicht etwa einen Tante-Emma-Laden oder so, NEIN, es gibt hier nur Malls (Globalisierung lässt grüßen), die alle ziemlich weit weg sind. Davon abgesehen, dass jede Taxifahrt über 10 Euro kostet (ihr erinnert euch D. arbeitet und ich habe keinen Führerschein), was ja schon das Geld für ein Businesslunch in euren Restaurants ist, ganz abgesehen davon, ist der Zeitfaktor ungeheuerlich! Von 06.30 bis 10.00 Uhr und dann von 15.00 bis 20.00 Uhr ist hier Berufsverkehr. Für einen Weg, für den man abends etwa 8 bis 10 Minuten benötigt, werden ungelogen 2 bis 3 Stunden beansprucht. Ja! Natürlich bin ich auch auf die Idee gekommen, zwischen 10.01 und 14.59 einkaufen zu fahren. Blöd ist nur, dass genau dann die Straßen verstopft sind, sei es weil der Präsident gerade irgendwohin fährt, eine Straße (um)gebaut wird oder mal wieder ein Lkw zu schnell im Kreisverkehr gefahren und daher umgekippt ist. Bei über 30 Grad geschlagene 2 Stunden im Verkehr zu stecken ist nicht nur unschön, sondern es vergeht einem auch der Appetit aufs Essen und die Lust zu kochen! Bei dieser enormen Zeitverschwendung habe ich nicht einmal die Zeit für die Auswahl eines Gerichtes, die reine Einkaufs- oder gar die Kochzeit miteingerechnet!

Liebe Freunde! In diesem Sinne, lass euch daher das Essen beim Italiener ums Eck schmecken und genießt eurer luxuriöses und sorgenfreies Arbeitsleben!

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Lesenswert: Vom Hotel Mama in die Studentenbude: http://www.ksta.de/html/artikel/1156330316715.shtml

* Quelle: http://www.edeka-direkt.de/images/articles/8bcf53e631cd2969e1f98129844cb7fe_5.jpg