Mein erster Entwurf des Titels dieses Blogbeitrags lautete genau andersherum: Ich und die anderen hundert Ladies. Das dachte ich, als ich gerade in einem der Supermärkte in Nairobi stand und versuchte, mich in dem Wust an Produkten, deren Marken ich nicht kannte, zu Recht zu finden. Um mich herum nur Ladies, kein einziger Mann. Hundert Frauen, ein Auftrag. Meiner lautete: Waschmittel. Da darf das männliche Ich gerne kurz mal hinten anstehen.
Wie die Frauen von Stepford schoben wir alle irgendwie ferngesteuert unsere Einkaufswagen die Regale entlang. Frauen im Sari, in der Burka oder ganz modern gekleidet, aus Kenya, Äthiopien, Indien, England, USA und Deutschland streiften langsam und schweigend durch die Gänge. Von Männern und Kindern keine Spur. Willkommen in der Peer Group, dachte ich, und hielt vor den Waschmitteln an.
Ganz wie zuhause in Europa stand ich vor einer Mauer aus bunten Flaschen und Schachteln mit Heilsversprechen in Großbuchstaben. Für jede Reinlichkeitsreligion war etwas dabei: mit Farbenschutz, Extra Desinfektion, für Feinwäsche geeignet, als Flüssigkeit, Pulver oder Gel, in Flaschen, im Beutel oder in Tablettenform, 5 Kilo, 2 Kilo oder 1 Kilo schwer, sehr teuer, teuer oder weniger teuer, Bio oder Non-Nio. Die Anzahl der möglichen Kombinationen war einfach zu viel für einen einzelnen Mann. Hätte ich ein Auto kaufen wollen, eine Festplatte, ein Telefon, kein Problem, aber das hier?!
Dabei hatte ich mich gut vorbereitet und vor dem Einkauf eine Nachbarin, die hier seit 20 Jahren wohnt, nach dem Waschmittel ihres Vertrauens gefragt. Bei ihr würden wir auch waschen, denn die Waschmaschine lag, mit allem anderen Krempel, noch immer vor Madagaskar, oder sonst irgendwo weit weg. Die Nachbarin hatte sich nicht mehr erinnert, wie ihr Waschmittel hieß, nur dass es bunt war und aus Südafrika kam. Ich nahm also eins nach dem anderen aus dem Regal und las das Etikett. Alle Waschmittel kamen aus Südafrika, alle vom selben Großkonzern, und alle hatten – soweit erkennbar – dieselben Inhaltsstoffe.
Ich schaute nach links, nach rechts. Mit einem Mal war es gespenstisch leer geworden. Hatte ich in der Mediation über ColourProtect, Megapearls und Powergel den Ladenschluss verpasst? Was hätte ich darum gegeben, jetzt eine andere First Lady um Rat fragen zu können. Wobei man hier, im Lande der Polygamie natürlich nie weiß, ob man es wirklich mit der First, oder vielleicht doch eher mit der Second oder Third Lady zu tun hatte, oder am Ende nur mit der Haushälterin. Aber in der Stunde der Not wollte ich mal nicht so sein und hätte mich auch mit Rangniederen beraten.
„Besinne Dich im Zweifelsfall auf das, was Du kannst, und mach’ das Beste daraus“ hatte einmal ein Managementberater gesagt. Klar, eine Binsenweisheit, aber seine Stimme erschien mir so eindringlich wie die Obi Wan Kenobis mit seinem „Vertraue der Macht.“ Also besann ich mich und tat, als würde ich ein Auto kaufen. Die altmodischen Formen liegen mir, alte Volvos oder alte Geländewagen, wie der Defender. Die aerodynamisch-geschwungenen Flaschen fielen also schon einmal aus. Ein buntes Auto in Pastell oder grellen Farben käme auch nicht in Frage. Rosa, Gelb, Giftgrün und Orange konnte ich ebenfalls von der Liste streichen.
Da ich aber keiner bin, der sich gegen neue Technik verwehrt, schienen mir Pulver und Flüssigkeit altmodisch. Gel hingegen fand ich schick, besonders jenes, das in kleinen Plastikbeuteln steckte, die sich beim Waschen von selbst in Nichts auflösen würden. Vermutlich Nanotechnologie und im Weltraum erprobt, dachte ich zufrieden. Schließlich kaufte ich eine mittelgroße, nicht ganz kubische Schachtel in dezentem dunkelgrün, das mich ans British Racing Green der alten Jaguar-Limousinen erinnerte. Sie hatte 2.0 Liter Hubraum, eine Betriebstemperatur von bis zu 90 Grad und einen Verbrauch von bis zu zwei Gelsäckchen pro Waschgang.
Mission accomplished. Ich rollte zum Ausgang und fuhr mit dem Taxi nachhause. Dort zeigte ich die Beute E. sowie der Nachbarin, die sich nicht an ihr Waschmittel hatte erinnern können. Beiden erklärte ich gerne die Hightech-Säckchen, die sich, ich hatte es schon erwähnt, während der Wäsche selbst in Nichts auflösen würden. E. war misstrauisch, die Nachbarin hingegen begeistert. Ein paar Tage später waren wir bei ihr zu Besuch. Sie hielt mir ein verschrumpeltes Plastiktütchen hin, das entfernt an ein Kondom erinnerte. Es war aber nur ein Überbleibsel der Waschwunderwaffe. Das Zeug hatte sich doch nicht aufgelöst und stattdessen ganz prima die komplette Waschtrommel verklebt. Die Macht ist auch nicht mehr das, was sie mal war.