Letztens habe ich eine Art Perpetuum Mobile erfunden. Das stimmt natürlich nicht, aber eine Weile kam es mir so vor, als ob. Wieder spielt der Wellness-Bereich unseres Schweizer Romantik Hotels eine Rolle, auch die entspannungswillige E., sowie ein zunächst äußerst distinguierter Herr aus Großbritannien.
Was gibt es schöneres, als nach einer langen Wanderung in sonnenklarer Kälte die Eisbeine in der Sauna aufzutauen. Die Quietscheenten-Affäre im Whirlpool war gerade überstanden, schon stapelten wir uns zu viert in einer ziemlich kleinen Wärmekammer. Etwas benommen von der Hitze und dem Anblick mehrerer fremder Wohlstandskörper betrat ich nach den vorgeschriebenen zwölf Minuten die so beschilderte Nackt-Zone, wo ich unter mehreren Duschen wählen musste.
Zuhause haben wir nur eine, die wir einfach Dusche nennen, also mit Vor- und Nachnamen. Hier jedoch gab es Regendusche, Aromadusche, Kübeldusche und noch eine, deren Namen ich vergessen habe. Regendusche war besetzt, Aromadusche regnete warm von der Decke, drum wechselte ich schnell unter den Kübel. Der hielt was er versprach und übergoss mich mit seinem eisigen Inhalt. Derart erfrischt brauchte ich nun Ruhe und suchte deshalb einen Raum auf, der Platz für acht Ermattete bot.
Im Angebot waren dort fünf Liegen, die so aussahen, wie man sich Liegen eben vorstellt. Weiter hinten aber standen drei seltsame Holzkonstruktionen: unten eine stabil wirkende Ebene, oben, etwa in Form einer halben Orange, eine Liege, die bei der leisesten Berührung zu schaukeln begann. Die rechte war bereits belegt, deshalb nahm ich die linke, um in der Mitte Platz für E. zu lassen.
Schon das Hinsetzen war nicht einfach. Ich hielt es für das Beste, mich erst einmal in der Mitte zu platzieren und dann, mit einer vorsichtigen Drehung, Kopf und Füße auf ihre jeweiligen Positionen zu hieven. Kaum hatte ich meinen Hintern gelandet, schaukelte das Ding hin und her und wollte sich kaum beruhigen. Ich zappelte mit Armend und Beinen, das umgeschlungene Handtuch verrutschte, mein Buch stürzte ab, die Wasserflasche kippte polternd um. Der Herr auf der Liege rechts drehte langsam den Kopf herüber, schaute ein paar Sekunden schweigend zu und ergab sich dann wieder seiner Entspannung.
Nach und nach fand ich die Balance. Um jede Schaukelei zu vermeiden, legte ich die Hände auf dem Bauch zusammen. Nun hätte die Liege eigentlich stoppen sollen. Doch es ging immer weiter – vor und zurück, vor und zurück. Warum bloß? War ein Wiegemotor eingebaut? Vielleicht gekoppelt an das sphärische Gefiepe aus den Lautsprechern, mit dem man mich in Wellness-Bereichen solange zur Entspannung zwingt, bis ich vor Wut platze? Irgendwann kam ich drauf: Es war meine eigene Atmung, die das Schaukeln auslöste: Ein – vorwärts, Aus – rückwärts.
Mir erschien ein Kräfteparallelogramm aus dem Physikunterricht. Bloßes Anheben und Absenken der Bauchdecke beim Atmen das Schaukeln der Orangenhälfte löste also das Schaukeln aus? Erst kürzlich hatten mich meine ghanaischen Kolleginnen auf die sichtbare Expansion der Taille hingewiesen: Ich war nun also zum Perpetuum Moppele geworden.
Nun betrat E. den Raum und wollte sich neben mich auf die Liege legen. Ich sagte erst einmal nichts und wartete ab. Dann: Kippen, Strampeln, Armrudern. Während ich zuschaute, bemerkte ich, wie auch der distinguierte Herr auf der Liege rechts E.s Bemühungen betrachtete. Unsere Blicken trafen sich. Seine Mundwinkel zuckten. Ich presste die Lippen zusammen. E. gluckste während sie beinahe aus der Liege katapultiert wurde. Dann konnten wir alle nicht mehr anders und prusteten los. Später gestand der Herr neben uns in gepflegtem Englisch, dass er selbst zwei Stunden zuvor den leeren Raum betreten hatte und – ohne Zeugen – 20 Minuten lang mit der Liege gekämpft hatte.
Danach beruhigten wir uns. Der Rest war Schaukeln.