Unser Auto muss zum Service. In Deutschland ist das ein langweiliges, im besten Fall nerviges Vorhaben, außer ich wäre Geheimtester vom ADAC und könnte die Werkstätten danach schriftlich hinrichten. Hier in Nairobi sind Autoreparaturen ein aus vielerlei Gründen erheiterndes Thema, das ich auf keinen Fall missen und von dem ich nun erzählen möchte.
Ich will gar nicht über die Reparatur selbst sprechen oder darüber, dass der österreichische Mechaniker unseres Vertrauens sein weiches Herz hinter einer grollenden Fassade versteckt. Nie sollte man ihn fragen, wie es ihm geht. Führt diese Floskel beim Durchschnittsamerikaner zu einem lauten „Großartig“ und beim Durchschnittskenianer zu einem mittellauten „Es geht“, provoziert die Frage bei ihm sehr verlässlich ein so saftiges Granteln, dass die Bananenstauden hinter seiner Werkstatt verschreckt die Früchte fallen lassen. Danach wird aber alles gut.
Heute habe ich ihm unser Auto hingestellt und mich in der Hoffnung verabschiedet, es repariert in wenigen Tagen wiederzubekommen. Eine Straße weiter, sagte er zum Abschied, gäbe es Taxis, die mich nachhause brächten. Vor dem Tor zur Werkstatt traf ich auf den Gärtner, der gerade im Gras Pause machte. Ob ich ein Taxi bräuchte? Dann könnte er eines rufen, das gleich um Ecke warte. Ich sagte „Ja“, und mit dieser kurzen Bestätigung schloss ich einen komplexen kenianischen Dienstleistungsvertrag ab.
Wer hierlande zulässt, dass einer Zweiter einen Dritten ruft, um etwas für den Ersten zu erledigen kann, wird automatisch Teil einer Wertschöpfungskette. Denn der Gärtner investiert seinen Telefonanruf gewiss nicht umsonst. Er wird eine Provision vom Taxifahrer bekommen, der diese gleich nach dem Anruf und noch vor meinem Eintreffen in den Fahrpreis einkalkulieren wird.
Wir gingen also die paar Schritte zum Taxi, und ich begann sogleich die Verhandlungen. Ich wolle da und da hin, was es koste? 2000 kenianische Shilling sagte er. Das war vom Niveau her so, also würde ein Wurstverkäufer in Deutschland für 100 Gramm Parmaschinken 57,50 Euro verlangen. Ich tat, was ich in diesem Fall am besten kann und lachte herzlich. Nicht unverschämt, nur herzlich.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Lachen in diesem Momenten sehr ansteckend sein kann. Der Taxifahrer lachte also mit. Nahezu unter Freudentränen gestand er mir, dass der Weg sehr weit und das Benzin sehr teuer sei. Wiehernd und glucksend entgegnete ich, dass ich das schon wisse, aber soweit sei es nun auch wieder nicht, und auch der Benzinpreis sei nicht direkt mit Gold zu vergleichen.
Nach und nach beruhigten wir uns wieder und einigten uns auf einen Deal. Dieser Deal sah vor, dass er mich hinbringen, dann zwei Stunden warten und mich danach nachhause fahren würde – gegen einen kleinen Aufschlag, versteht sich. Kaum hatten wir die Parkbucht verlassen, waren wir schon beste Freunde. Also, genauer gesagt, er hatte sich zu meinem Freund erklärt, während ich noch darüber nachdachte.
Eigentlich wie Facebook, dachte ich, während er erzählte, dass er auch Autos vermiete. Möglichst gelangweilt fragte ich, was das kosten solle und erhielt einen Tagespreis, der unter dem der geplanten Taxifahrt lag. Nicht schlecht. Also schlug ich ihm vor, ein Auto zu mieten. Machte er doch gerne und telefonierte – mit seiner Schwester, die das Auto gerade benutzte.
Nur eine Viertelstunde würde es dauern, das Auto herzubringen, meinte er, aber er wüsste einen prima Ort, einen sehr erfolgreichen Club, wo man warten und ein Schlückchen trinken könnte. Es war 10 Uhr morgens, und ich war gespannt, vom welchem prima Ort und von welchem Getränk er hier sprach.
Wir bogen von der Hauptstraße ab, und ich dachte, so beginnen Entführungen. Ein schlammiger Weg mit geradezu alpinen Schlaglöchern führte zu ein paar baufälligen Bretterbuden. Eine davon präsentierte statt einer Frontseite eine große Plastikfolie. Das war der extrem erfolgreiche Club, der im Moment vollkommen leer war. Keine Sorge, in nur einer Stunde würde ich hier Menschenmassen sehen können, sagte der Taxifahrer.
In dem extrem erfolgreichen, aber menschenleeren Club bestellte er ein Bier, ich Wasser. Entschuldigend meinte er, der Stress als Taxifahrer sei so schlimm, das Bier helfe ihm durch den Tag. Während er es trank, erläuterte er, dass er oft lange auf seine Kunden warten müsste. Doch mit ein oder zwei Bier verginge die Zeit wie im Flug. Ich freute mich immer mehr auf den Mietwagen, den ich selbst steuern würde.
Dann philosophierte er über den Verkehr, Straßen, Politik, Polizei, Korruption und kam zum dem Schluss, dass sich in Kenia alles, wirklich alles um Geld drehe. Schließlich, nach einem tiefen Blick in die braune Tusker-Bierflasche, fand er auf deren Grund den Aphorismus: „Geld hat die lauteste Stimme in Kenia.“
Relativ pünktlich, also nicht nach 15, sondern nach 45 Minuten, erschien seine Schwester mit einem recht passablen Kleinwagen und einem Vertragsformular, in das ich meinen Namen und meine Führerscheinnummer eintrug. Ein paar Minuten Einweisung später fuhr ich los.
Ob er noch ein Stück mitfahren könnte, fragte der Taxifahrer. Kaum im Auto, beugte er sich zum mir herüber und fragte, ob ich nun eine kleine Belohnung für ihn hätte. Ich hätte ihm doch gerade zu einem Geschäft verholfen, sagte ich. Darauf er: „Aber das ist doch das Geschäft meiner Schwester.“