Die normalsten Dinge werden im Ausland zum Abenteuer, wenn man sich nicht auskennt. Manche Einwohner unseres gastgebenden Landes versuchen, diesem Umstand zu ihren Gunsten auszunutzen. Mit Frechheit, Improvisationskunst und psychologischem Geschick wollen sie uns an den Geldbeutel. Und wenn einem nach zwei Jahren die erste Gegenwehr gelingt und zur Niederlage auf der anderen Seite führt, dann nenne ich das „kleine Siege“.
Auf der Fahrt an den Strand am vergangenen Wochenende hielt uns mal wieder die Polizei an. Das macht sie gerne, und da man nie weiß, was nun schon wieder los ist, lächeln wir immer zuckersüß. Dieses Mal nutzte das nichts, denn der Freund, bei dem wir mitfuhren, hatte vergessen seinen Führerschein zu erneuern. Während in Deutschland Johannes Heesters vermutlich mit einem Führerschein der Weimarer Republik zu seinen Auftritten fährt, muss man in Ghana alle zwei Jahre eine neue Plakette auf die Driver‘s License kleben.
Hier gelang uns der Sieg noch nicht, weder ein kleiner noch ein großer. Die Polizisten und ihre Kollegen ließen uns erst dann ziehen, nachdem unser Fahrer zähneknirschend jedem einen „Drink“ spendierte. Merke: Die Höhe des „Bußgelds“ hängt nicht vom Vergehen ab, sondern davon, wie viele Polizisten zufälligerweise gerade an der Straßensperre stehen. Auch eine Logik. Ich hatte hinten gesessen und während der Aktion heimlich meinen Führerschein herausgekramt und geprüft: auch er war abgelaufen.
Mein erster Gang am Montag galt also dem hiesigen Straßenverkehrsamt, wo ich nicht nur den Führerschein, sondern auch gleich die Straßentauglichkeit unseres Autos erneuern wollte. Ich bog aufs Gelände – und sofort winkte es von allen Seiten. Zwischen der Masse der wartenden Wagen rannten eilfertig mindestens 20 junge Männer hin und her, die sich gegenseitig mit Winken und Rufen übertrumpfend als Hilfe für den anstehenden Amtsgang anboten.
An sich ist das keine schlechte Sache, denn beim Spaß, den der Besuch des Straßenverkehrsamtes macht, steht Ghana Deutschland keinesfalls nach. Nichts ist beschildert, keiner hat eine Art Uniform an, man hat keine Ahnung, was wo wie und wann zu tun ist. Schnell hatte ich einen freundlichen Helfer gefunden, der mich zunächst zur technischen Prüfung bugsierte. Die bestand hauptsächlich in der Frage, ob ich ein Warndreieck hätte, was ich wahrheitsgemäß bejahte; ich habe sogar drei, weil das Fehlen eines solchen die hiesigen Ordnungshüter sofort durstig macht. Vielleicht hilft viel viel.
Ich bekam also ein paar Minuten später meinem Tauglichkeitsbescheid, allerdings mit einer kleinen Auflage: die Reflektoren, die hier vorne und hinten auf dem Auto Vorschrift sind, müssten erneuert werden. Den Ersthelfer schickte ich mitsamt den Papieren voraus, damit er sich an meiner statt in die Schlange an der Ausgabe des neuen Tauglichkeitsklebers stelle, die TüV-Plakette, sozuzsagen. Dann fuhr ich aus der Halle hinaus, und schon klopfte ein anderer Herr ans Fenster, der mir die Reflektoren entgegenhielt. Ich fragte, ob er der offizielle Reflektorenverkäufer sei. Selbstverständlich, meinte er, und machte sich daran, die Dinger anzukleben.
Nach einer Weile kam ich zurück: Die Kleber klebten, und ich fragte, was sie kosten sollen. 20 ghanaische Cedis, sagte er, also 10 Euro, eine enorme Summe für den ghanaischen Durchschnittsverdiener. Bisschen viel, entgegnete ich und sagte, ich würde mich erst einmal in der Prüfungshalle erkundigen. Auf dem Weg dorthin versuchte er mich noch zurückzuhalten, sagte immer, please wait here. Ich blieb aber stur, und kurz vor dem Eingang war er plötzlich verschwunden. Die amtlichen Prüfer, denen ich die Sache erzählte, waren ehrlich erschüttert. 20 Cedi, das sei ja lächerlich, außerdem bekäme ich die Kleber am Schalter in einem Haus und nicht mitten auf dem Platz.
Ich besuchte den bewussten Schalter und kaufte dort die Reflektoren für 6 Cedi. Als ich Richtung Auto ging, schaute ich mich immer wieder nach dem Reflektoren-Dealer um, aber der hatte sich verdrückt. Nicht er hat mich betrogen, sondern ich ihn, weil ich die Reflektoren nun gratis bekommen habe. Ich sagte ja: kleine Siege.