Reduziert auf die Essenz, oder: Es lebe die Königin!

Lieber Markus,

Dein Auftritt als fescher Ledermann im Moskauer Supermarkt bestärkt meine feste Überzeugung, dass die bayerische die einzig wahre Leitkultur Deutschlands ist. Sowieso wird, wie es scheint, in der Fremde jedes Land auf seine Essenz reduziert. Den jüngsten Beweis dafür haben die hiesigen Engländer beim Geburtstag ihrer Queen angetreten.

Als Entschädigung für abwesende Freunde und Familie nehmen Expats gerne gepflegte Empfänge in den weitläufigen Anwesen der örtlichen Highsociety in Kauf. Vergangene Woche war es wieder einmal soweit, als die Briten zur offiziellen Geburtstagsfeier von Queen Elisabeth II. einluden. Wir nahmen natürlich an, denn was dem Deutschen das Oktoberfest, ist dem Engländer der Geburtstag der Königin – no offense.

Schon bei der Anfahrt wurde uns klar, worauf wir uns da eingelassen hatten. Als ich das Fenster herunterkurbelte, um einen Parkwächter nach einer geeigneten Lücke zu fragen, ertönte über die staatliche Mauer der High Commission hinweg der liebliche Klang des schottischen Dudelsacks.

Über dem Eingang hing ein großes Schild, das nochmals auf den Anlass der Party hinwies. Darunter war eine Reihe von Logos britischer Firmen zu sehen, Sponsoren, die zum Gelingen des königlichen Geburtstags beitrugen. Der britische High Commissioner verkündete später stolz, die gesamte Party sei für den englischen Staat gewissermaßen kostenneutral. Soviel Nähe zur Wirtschaft im Außenministerium! Da kann Westerwelle nur von träumen.

Unter dem Schild hatten sich die Statthalter Großbritanniens zum Begrüßungsspalier versammelt. E. stellte sich, wie es sich gehört, mit vollem Namen vor. Ich hatte eine Art Blackout und murmelte nur – ganz First Lady – „I’m the husband“. Irgendwie war ich wohl überzeugt gewesen, dass die Briten durch ihr Königshaus mit männlicher Bescheidenheit dieser Art vertraut sein würden. Vielleicht aber auch nicht. Die Diplomaten kicherten herzlich, und mir fiel mein Name schließlich doch noch ein.

Wir hatten Hunger. Hitzebedingt essen wir manchmal tagsüber nichts und hauen dann abends entsprechend rein. Mit knurrenden Mägen eilten wir deshalb auf eine Hütte zu, die eine Tafel mit der Aufschrift „British Food Court“ trug. Dort gab es – wie nicht anders zu erwarten – Fish & Chips und daneben einen seltsam aussehenden Käselaib, der Stilton genannt wird. Aus diesem wird blauschimmelige Käsemasse heraus gelöffelt und auf einen, na klar, Cracker appliziert.

Noch durften wir allerdings nicht ran. Statt Aperitif gibt es bei solchen Anlässen immer Reden. Der High Commissioner lobte in seiner Ansprache die friedlich und demokratisch verlaufenen Wahlen in Ghana 2008 und wünschte Großbritannien bei den nun anstehenden Wahlen dasselbe.

Selbstverständlich waren auch Herren im Schottenrock anwesend, die auf Anfrage über die Hitze unter demselben klagten. Schließlich bestünde das Kleidungsstück aus mehreren Lagen dicker Wolle. Und das bei einem Wetter, wo einem die Rückennaht im Jackett zur Schweißabflussrinne umfunktioniert wird.

E. konnte nichts anders, als den tapferen Schotten zu fragen, was denn da in dem Beutel sei, den er in der Körpermitte vor sich hertrug. Früher habe man darin seinen Snack transportiert, beispielsweise Porridge, heute hätte er aber nur sein Handy, Lippenstift, Taschenspiegel und Deo dabei. Die Kosmetik-Utensilien gehörten übrigens seiner Frau, die so ihre Handtasche zu Hause lassen konnte.

Viele Grüße

Michael

PS: Da ich eine Weile gebraucht habe, um diesen Text fertig zu schreiben, waren wir mittlerweile auch auf dem Fest zum Geburtstag der niederländischen Königin. Dort gab es, Du darfst raten, Hering, den eine bekannte niederländische Fluggesellschaft kostenfrei eingeflogen hatte, und dazu Gouda.

PPS: Ach ja, und am Tag der Deutschen Einheit gab es hier Bratwurst, Rollmops und deutsches Bier.