Lieber Markus,
vor einigen Wochen wollte ich irgendwo hinfliegen. Alles war soweit gut. Nur beging ich beim Ticketkauf einen entscheidenden Fehler und achtete nicht darauf, dass es nur in Bar oder mit Scheck bezahlt werden kann. Um diese Schuld abzutragen, fahre ich nun seit fast zwei Stunden durch ein heißes, autoverstopftes Accra. Meine Mission: Ich brauche Geld.
Die Summe, um die es geht, ist eigentlich nicht besonders groß: 1100 Dollar oder etwa 1600 ghanaische Cedis. Sie aufzutreiben, ist allerdings eine nervige Angelegenheit. Wohl kann ich mit Kreditkarte kostenlos am Bankautomaten abheben, doch spucken die nur maximal 400 ghanaische Cedis auf einmal aus.
Kein Problem höre ich Dich stirnrunzelnd sagen, dann zieh‘ halt vier Mal nacheinander. Guter Plan. Wirklich gut. Geht aber leider nicht. Die meisten Automaten lassen einen nur einmal, und nur wenige zweimal ziehen. Und das nur an guten Tagen. Welcher einmal, zweimal oder auch keinmal Geld gibt, ist leider aus der Ferne nicht zu sehen.
Von meinem Büro aus gesehen liegt die nächste Bank zwei Kilometer entfernt. Es ist kurz nach Zwölf, als ich mitten im Lunch-Stau aufbreche. Um die Mittagszeit scheint hier jeder, der ein Auto besitzt, dieses zu besteigen um sich auf Futtersuche zu begeben. Alles steht, und anders als im Feierabendstau, leider nicht nur in eine, sondern in alle Richtungen.
Die erste Bank erreiche ich um etwa halb Eins. Ich passiere ein Tor mit Wachleuten und werde von zwei Einweisern wie ein Jumbojet in eine riesige Parklücke gelotst. Sie wedeln mit allen Händen gleichzeitig, versperren die Sicht nach hinten, verstecken sich im toten Winkel, stehen im Weg – kurz, machen das Einparken zur Hölle.
Ein paar Minuten später stehe ich am Automaten und bekomme 400 Cedis. Mehr auf einmal geht nicht. Sie sind gekühlt, frisch gepresst und riechen deutlich nach Farbe. Die ghanaische Zentralbank hat wohl neu gedruckt. Ich ziehe nochmal, und wupp: 800 Cedis in der Hosentasche, 800 to go.
Ich fühle mich gut. Wie ein Sieger. Heute ist mein Glückstag, ich weiß es genau. Die Banken geben immer nur 10er-Scheine aus. Das dicke grüne Bündel wirkt wie ein Hauptgewinn. Einen dritten Versuch bricht der Automat leider ab. Auch die schönste Glückssträhne reißt irgendwann.
Zurück auf die Straße. Einen Kilometer weiter und 10 Minuten später versuche ich’s bei der nächsten Bank. Wachleute, Parkwächter, der übliche Hindernisparcour. Der Automat ist außer Betrieb. Kann passieren, denke ich.
Bank Nummer 3 ist weitere drei Kilometer entfernt. Es ist kurz nach Eins. Der Automat macht äußerlich einen guten Eindruck. Nur fehlt das Visa-Schild. Kann passieren, denke ich laut.
Bank Nummer 4, vier Kilometer, Stau. Es ist halb Zwei. Auch hier bricht der Vorgang ab. Visa zieht offenbar die Notbremse. Wer mehrmals abhebt, macht sich vielleicht verdächtig. Kann passieren, darf aber nicht, denke ich sehr, sehr laut.
Viertel vor Zwei. An Bank Nummer 5 brause ich versehentlich vorbei. Nach knapp zwei Stunden Jagd auf die grünen Scheine bin ich erschöpft. In jeder Richtung ist Stau, die Sonne brennt, die Klimaanlage röchelt.
Im Wahn sehe ich einen Bankdirektor, der mir auf dem Parkplatz einen riesigen Geldschein überreicht und dabei in die Überwachungskameras lächelt. Im Hintergrund stehen zwanzig Einweiser und winken mit bunten Fahnen.
Die Schweißflecke auf meinem Hemd bilden einen Rorschachtest. Vorbeigehende Passanten werden bei meinem Anblick augenblicklich therapiert und schwören dem Mammon ab.
Jetzt erst einmal Pause. Nach einem Chicken-Chawarma und einem Liter Wasser beim Libanesen geht’s mir gleich besser. Kostet 10 Cedi, habe also noch 790, Tendenz fallend. Gärtner und Haushälterin wollen später sicher auch Geld für Besorgungen. Strom und Wasserrechnung müssen bezahlt werden. Da kann ich Morgen gerade wieder von vorne beginnen.
Das ist noch nicht alles. Selbst wenn ich die Summe zusammen hätte, müsste ich sie noch tauschen. Das Reisebüro will ja schließlich Dollar. Wie sagte Sisyphos im Snickers-Werbespot? Und weiter geht’s.
Viele Grüße aus Accra,
Michael