Wir kommen aus dem Urlaub zurück und haben eine neue Mitbewohnerin. Eine Katze streunt um unsere Beine und schreit ohne Unterlass. Was ist denn nur los? Bin absoluter Katzen-Laie und besuche daher zum ersten Mal in meinem Leben ein Katzenliebhaber-Forum. Dort wird das Geheule schöngeredet: Die jammert nicht, die will sich nur unterhalten. Wenn man nur wüsste, worüber.
Katzen sind in der Tierwelt das, was Apple in der Computerwelt ist. Sind hübsch anzusehen, geschmeidig zu bedienen, lösen garantiert den Haben-Wollen-Reflex aus, sind aber auch ein bisschen nutzlos. Ihr Miauen erinnert an Babygeschrei und weckt den Beschützerinstinkt, zusammengerollt passen sie sehr gut zu den Sitzmöbeln und ihr Schnurren ist eine einzige gekonnt vorgetragene Liebeslüge.
Internet-Foren mögen bei der Interpretation einer Katze nützlich sein, aber sie erklären nicht, wie man sie wieder los wird. Habe nun also eine Katzenbeziehung, ob ich will oder nicht. Beschließe, das Beste daraus zu machen. Babys schreien, wenn sie Hunger haben. Katzen vielleicht auch. Schiebe die Frage beiseite, warum ich eigentlich nun für die Ernährung einer mir völlig unbekannten Katze zuständig sein soll. Sie ist schließlich kein Katzenbaby mehr, hat also auch früher schon ihr Auskommen gehabt.
Besorge beim nächsten Besuch im Supermarkt Katzenfutter. Finde das ähnlich schwierig wie, sagen wir, Haarspray kaufen. Beim Haarspray lachen schöne Frauen mit wehendem Haar von der Dose, beim Katzenfutter strahlen mich glückliche Katzen an. Beiden glaube ich ihre gute Laune nicht. Kaufe am Ende das Zeug, an dessen Werbung ich mich am besten erinnern kann. Auch klingt es so ähnlich wie mein schottisches Lieblingsgetränk.
Beim ersten Füttern bin ich ganz aufgeregt. Wird sie es wohl mögen? Weiß sie, dass es sich dabei um die „Gourmet Fleischplatte mit fleischigen Bröckchen“ und „Verbesserter Geschmacksempfindung“ handelt, die teurer ist als das Rinderfilet in der Metzgerei die Straße runter? Ist sie sich klar darüber, dass der Hersteller „alle Leidenschaft und alles Wissen“ in die Kreation dieser Leckerei investiert hat? Steht jedenfalls auf der Rückseite der Tüte.
Stelle eine Plastikschale in den Hinterhof und reiße die Packung mit dem Katzenfutter auf. Katze stürzt schreiend aus dem Hinterhalt herbei, umschwänzelt meine Beine, steckt den Kopf in die noch leere Schale. Schubse Katze weg, Katze miaut und kommt von der anderen Seite. Schubse wieder, schütte dabei Bröckchen aus der Tüte, trete zurück, die Katze fällt kopfüber in die Schale. Dann endlich der Lohn, gefräßige Stille, nur von gelegentlichem Knurpsen unterbrochen.
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Von nun an steht die Katze pünktlich morgens hinter der Küchentüre. Auf meinem Weg zur Kaffeemaschine höre ich schon von Ferne ihr Wehklagen. Anfangs bleibe ich hart. Erst Kaffee, dann Katze. Doch nach ein paar Tagen bin ich weichgekocht. Erste Katze, dann Kaffee. Wenn E. das wüsste. Könnte es notfalls technisch begründen. Kaffeemaschine braucht schließlich Zeit um Aufheizen.
Besuche der Katze werden zur Gewohnheit. Sie schreit, ich trete aus der Küchentüre. Sie wirft sich hin, ich kraule ihr Bauch und Hals. “Sie meint nicht Dich, es ist nur das Futter”, versuche ich mir einzureden. Doch nach ein paar Tagen lässt mich das Flirten mental erblinden. Nach außen hin bleibe ich cool. „Was macht die Katze?“, fragt E. „Ach, die nervt nur“, wiegele ich ab.
Dann, eines Morgens, auf dem Weg zur Küche, ist es so still. Ich öffne die Türe, schaue hinaus. Keine Katze. Ich mache Schnalzgeräusche, von deren unwiderstehlichen Wirkung ich bisher überzeugt war. Nichts rührt sich. Bin jetzt tatsächlich betrübt. War ich vielleicht nicht nett genug? Hat das Futter sie auf die Dauer gelangweilt? Wo schon der Hersteller auf der Tütenrückseite mit den Worten „Katzen essen nicht gerne immer das Gleiche“ auf weitere Produkte hinweist. Oder lässt etwa meine Streichel- und Kraultechnik zu wünschen übrig?
Den ganzen Tag lang lässt sich die Katze nicht blicken. Die Katzenliebhaber-Foren haben natürlich auch hierzu jede Menge Tipps. Nehme aber dann doch Abstand von der Idee, bei den Nachbarn ein Hausdurchsuchung zu veranstalten, in einem kenianischen Radio eine Suchmeldung zu lancieren oder Zettel an die Mangobäume zu heften.
Verwaist steht die Plastikschalte im Hof. Zäh vergeht der Tag. Ibisse kreischen aufmunternd vom Baum. Ich ignoriere sie. Und genau in dem Moment, in dem ich mich wieder an die Katzenlosigkeit gewöhne, genau dann, als ich bitter denke, naja, sicherlich hat sie es besser, da, wo sie jetzt ist, da trägt der Abendwind das vertraute Jammern herüber. Ich stürze hinaus und schütte neues Katzenfutter in die Schale. Willst Du gelten, mach Dich selten. Raffiniertes Miststück, raffiniertes.