Zwei Wecker, eine Meinung: Wir bleiben einfach liegen. Bevor es hier weiter geht, erst einmal ein Geständnis: Ich bin eigentlich gar keine echte Firstlady mehr. Statt einfach nur gut auszusehen und meiner Frau das Leben zu erleichtern, arbeite ich seit einer Weile wieder ein wenig. An sich ist das nicht schlecht, wären da nicht Synchronisationsprobleme bei der morgendlichen Aufstehroutine.
Früher gab es bei uns morgens auch schon eine Rushhour, allerdings war ich dabei eher Zaungast und lebendig gewordene Volksbankwerbung: Wir machen den Weg frei. Ich verließ mich auf E.s Wecker, den ich gerne mal überhörte, und quälte mich erst nach mehrmaliger Aufforderung unter der Decke hervor. Dann schlurfte ich in die Küche, schaltete dort die Kaffeemaschine an und versuchte ansonsten nicht im Weg zu stehen.
Das war besonders wichtig. Niemals sollte man es wagen, zwischen einer erfolgreichen Frau und ihrem Büro zu stehen. Dabei kann man nur verlieren. Letztens sah ich in einer Zeitung ein Schaubild, eine Analyse der Wege und Pässe eines Fußballspielers im gegnerischen Strafraum. Sehr beeindruckend. Das sollte mal jemand für Frauen machen, die morgens zwischen Badezimmer, Kommode, Schrank, Schuhregal und Arbeitszimmer hin und her hasten.
Während die Kaffeemaschine also in Richtung Betriebstemperatur trödelte, versuchte ich früher aus sicherer Entfernung auf meine Art zu helfen. Zum Beispiel mit aufmunternden Zurufen, wie “Beeil Dich, in sieben Minuten kommt das Taxi!” oder “Aber natürlich passt der graue Blazer zur Hose, das sieht super aus!” oder auch “Nein, ich habe Dein Laptop-Netzteil nicht gesehen, ehrlich.”
Nun habe ich selbst genug zu tun, was an drei Dingen zu sehen ist. Erstens habe ich endlich die Weckfunktion meines Handys verstanden. Zweitens fahren wir jetzt nicht mehr um 7, sondern schon eine halbe Stunde früher los. Die Fahrt durchs morgendliche Nairobi dauert dann nur 15 Minuten statt eine Stunde. Drittens bin nun ich derjenige, der morgens mobil macht und energisch „aus dem Weg!“ ruft.
Das gilt besonders für das Waschbecken. Wie vor einem porzellanenen Altar treffen sich die Gläubigen der Kirche von der morgendlichen Sauberkeit und senken andächtig die Köpfe. Zum Beispiel um Rasierschaum oder eine Mundvoll Zahncreme zielsicher in den Ausguss zu befördern. Andere stören dabei nur. Der Altar ist zu klein, die Zeit ist zu knapp, um sie zu teilen.
Gewonnen hat, wer als erster dort ist. Liegt es an meiner aus dem Dasein als First Lady angesammelten Energie? Jedenfalls gewinne ich das Rennen seit Wochen problemlos. So problemlos, dass ich jeden Morgen, wenn ich mich aus der Andacht erhebe, im Spiegel nicht nur mein, sondern auch das Gesicht von E. sehe, die ungeduldig hinter mir steht.
Sie steht da, schaut, und sagt dann einen Satz, den sich jeder echte Müßiggänger über das Sofa hängen würde, auf dem er den Tag wie einen langsamen stillen Strom an sich vorüberziehen lässt. Der Satz lautet: „Früher, als Du noch nicht gearbeitet hast, war es morgens irgendwie einfacher.“
Freunde, Männer, First Ladies! Ist das nicht der Moment auf den wir alle gewartet haben? Der Moment, in dem wir uns mit erstmals gutem Gewissen wieder zurück ins Kissen sinken lassen. Und während wir uns der morgendlichen Zweiterschöpfung hingeben, hauchen wir der aus der Tür rennenden erfolgreichen Frau hinterher: „Viel Spaß im Büro, Schatz“.
Nichts ist älter als ein Traum von gestern. Heute mache ich Platz und springe in die Hose. Dann schnappe ich mir meine Tasche, öffne die tausend Schlösser an der Haustüre und warte. Ungeduldig.
Für alle, die sich jetzt um mich sorgen: es gibt auch eine gute Nachricht. Aufträge für Freiberufler kommen und gehen. Im Fall einer Flaute bleibt immer noch das Sofa an jenem langsamen stillen Strom.
PS: Habe eigens für diesen Beitrag erstmals die Kategorie “Arbeit” verwendet. Zeiten sind das…