Alles unter Kontrolle

„Soso, hat man wieder Geld abgehoben?“ E.s Telefonstimme hat einen belustigten Ton. Ich sitze zuhause auf dem Sofa und frage mich erstens, woher weiß sie, dass ich vor ein paar Minuten am Geldautomaten stand und die Haushaltskasse wieder aufgefüllt habe, und zweitens, ob ich das auch lustig finden soll. Oder nicht.

Ich bejahe wahrheitsgemäß und frage, wie sie an diese Information gekommen ist. Eigentlich habe ich ja nichts zu verbergen, aber wenn mir jemand auf die Finger schaut, werde ich unruhig. Das ist so, als fährt hinter einem ein Polizeiauto her. Ein Schwindler, wer behauptet, das mache nur gesuchte Schwerverbrecher, nicht aber den gesetzestreuen Spießer nervös. Die Bank hatte ihr eine SMS geschickt worin stand, dass irgendjemand heute um soundsoviel Uhr soundsoviel Geld von ihrem Konto abgehoben hat.

Wenn ich „ihr“ Konto sage, meine ich natürlich unser Konto. Vor zwei Jahren waren wir zu einer kenianischen Bank gegangen und hatten ein Konto eröffnet. Weil E. bereits ein Visum hatte, ich aber noch Tourist war, musste es unter ihrem Namen laufen. Die Kundenberaterin ließ uns allerlei Formulare ausfüllen und fragte dann, ob es neben E. noch weitere Zeichnungsberechtigte für dieses Konto geben sollte. „Ja, mein Mann“, sagte E. und wies auf mich.

Selten habe ich so viel Misstrauen in einem Gesicht gesehen, wie dort. Die Kundenberaterin musterte mich eine Zeitlang, wandte sich dann wieder E. zu und fragte noch einmal, „sind Sie da auch ganz sicher?“ Erst nachdem E. diese Ungeheuerlichkeit erneut bestätigte, wurde ich ebenfalls berechtigt. Ich kann mich täuschen, aber ich glaube mich zu erinnern, eine gewisse Unsicherheit in ihrer Stimme gespürt zu haben. Der Keim des Zweifels war gesät.

Später hatten wir dazu eine kenianische Bekannte befragt, die, mit einem Seitenblick auf mich, diplomatisch zu antworten versuchte, es sei natürlich schon ein gewisses Risiko, das Konto mit dem Partner zu teilen. Sie meinte natürlich nicht Partner im Allgemeinen, sie meinte ausdrücklich Männer. Sie wollte es nur nicht sagen.

Doch ein Mann fühlt so etwas. Und macht sich so seine Gedanken. Ist das die Rache dafür, dass verheiratete Frauen in Deutschland erst seit 1962 ohne Zustimmung ihres Mannes ein Konto eröffnen dürfen? Was kommt als nächstes, die Burka für den Mann, oder genügen ersatzweise auch Baseballkappe, Sonnenbrille und Vollbart?

Zwei Jahre lang durfte ich ohne Begleitung meiner Frau an den Geldautomaten. Nun hat unsere Bank diesen Service eingerichtet, automatisch, ohne zu fragen. Behauptet E. jedenfalls. Nur E. bekommt eine SMS über Geldbewegungen auf unserem Konto, ich nicht. Sie kann abheben, so viel sie will, ich erfahre davon nichts. Wie ungerecht, wie chauvinistisch, wie männerfeinlich!

Genervt lasse ich mich zurück aufs Sofa plumpsen, greife nach dem iPad* und kaufe mir über iTunes ein deutsches Nachrichtenmagazin. Ich wische durch die Seiten, freue mich leise, dass andernorts noch viel ungerechter zugeht. Da klingelt das Telefon, E. ist dran, noch lustiger als zuvor: „Soso, hat man sich eine Zeitschrift gekauft.“ Klar, es ist ja auch ihr iTunes-Account. Ich bin verloren.

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* Hiermit gebe ich zu Protokoll und bin auch bereit, das unter Eid zu wiederholen: Dieses Produkt der Firma Apple wurde E. geschenkt, nicht von mir, sondern von jemand anderes, ich konnte es nicht verhindern, und ich kann überhaupt nichts dafür. Aber jetzt, wo es schon mal da ist…