Vielleicht kennen das auch andere Blogger. Mit einem Mal steht man in der Sackgasse. Der letzte Eintrag ist eine Weile her. Thematisch gibt es keinen Anknüpfungspunkt. Wie soll ich auch die Geschichte mit dem Croissant, an die ich mich während einer Deutschland-Tour erinnert habe, mit dem kenianischen Alltag verbinden? Damit, dass das Croissant, das ich gerade esse, so wabbelig ist wie ein feuchter Schwamm? Am besten gar nicht. Ein Neustart.
Nach vielen Reisen in Deutschland und in Kenia sitze ich zum ersten Mal seit langem wieder auf meinem Lieblingssessel in einem Cafe in der Lobby einer Shopping Mall. Meine Loyalität gilt nicht dem besten Kaffee, sondern dem besten Internet-Zugang. Das war schon in Accra so, und in Nairobi ist es auch nicht anders. Denn während ich schreibe, downloade ich Windows-Updates und anderes Zeugs. Und schneller als hier, geht es nicht.
Aus den Lautsprechern scheppert Unterhaltungsmusik mittleren Tempos. Es ist wirklich so, sie dröhnt nicht, sie wummert nicht, sie scheppert. Um mich herum sitzen heute morgen fast nur Inder. Fünf altere Herren in Anzügen unterhalten sich eifrig. Hinter mir sitzt eine Familie im Kreis und schweigt. Schräg gegenüber tippt eine Kenianerin seitdem ich hier auf ihren Laptop ein.
Ein anderer, ebenfalls Kenianer, starrt seit einer Stunde auf den Eingang der Bank gegenüber. Er hat die Haare zur landestypischen Glatze reduziert und trägt ein Polo-Hemd, dessen Kragen – ebenfalls landestypisch – hochgeschlagen ist. Nun kommt ein Europäer vorbeispaziert, der aussieht wie John Lennon der Ältere im Safari-Look: Lange graue Haare zum Zopf gebunden, Nickelbrille, khakifarbene Baggy Pants. Merke: Nur Europäer tragen hier Khaki.
Vorgestern habe ich mal wieder “Hatari” angeschaut, diesen Abenteuerfilm aus den 60er Jahren, indem John Wayne einen Großwildjäger in Kenia spielt. Den habe ich vermutlich mit 15 gesehen, und staune, wie sich doch die Wahrnehmung über die Jahre verändert. Erstens weiß ich jetzt, dass Hatari ein Suaheli-Wort ist und “Gefahr” heißt. Daktari, für alle, die sich an diese seltsame Serie mit dem schielenden Löwen erinnern, heißt übrigens Doktor. Hätte man sich fast denken können.
Zweitens bleibt es natürlich nicht einfach dabei, ein Wort mehr zu wissen. Warum heißt dieser Film eigentlich Gefahr? Ich weiß genau, dass ich mir diese Frage damals nicht gestellt hatte. Vielleicht, weil Hardy Krüger immer so schneidig in seinem Jeep durch die Serengeti heizt und dabei von Nashörnern gerammt wird? Oder doch eher, weil sich eine hübsche, aber unglaublich nervige Fotografin in einen schon sehr alten John Wayne verliebt, der, wie in allen Filmen, in denen sich eine Frau in ihn verliebt, darauf reagiert wie ein unausgeschlafener Grizzly-Bär?
Apropos Gefahr. Aus mindestens zwei Gründen bin auch ich hier körperlich und geistig gefährdet. Körperlich durch die Soldaten, die in jedem Einkaufszentrum in Nairobi patroullieren. Die tragen nämlich Sturmgewehre, wie das berühmte AK47, in der Hand und lassen den Lauf lässig knapp über dem Boden schleifen. Irgendwann schnauzte ein Engländer oder Australier, mit zwei Kindern an den Händen, einen dieser Soldaten furchtbar an. Warum? Weil diese Profis ihre Gewehre immer entsichert mit sich herumtragen, den Finger am Abzug.
Die zweite Gefahr rührt vom Fernsehen her. Damit meine ich nicht das hiesige, oh, nein. Über den südafrikanischen Satelliten-TV-Betreiber kann man sich hier gegen einen saftigen Aufpreis auch einen einzigen deutschen Kanal ins Haus holen. Ich weiß nicht warum, aber es ist das ZDF. Bisher bedeuteten diese Buchstaben für mich so etwa Zackzack Die Fernbedienung, zumindest in der Sendezeit vor Mitternacht. Hier aber, ohne Alternative, halte ich manchmal ein paar Minuten länger durch.
So auch gestern, als “Ein Sommer in Paris” lief. Es war einfach unglaublich. Jede Sekunde mit diesen harthölzernen Darstellern, jede Zeile der gestelzten Dialog und der bloße Versuch, mir diesen wahnwitzigen Plot zu vergegenwärtigen, führte zum Massenselbstmord von Gehirnzellen. Wer denkt sich das aus? Wer gibt dazu das Geld frei? Und vor allem: Wer schaut sich das an? Dann lieber in einem afrikanischen Überlandbus eingepfercht sein und stundenlang nigerianische Soaps anschauen müssen, in denen es auch nur um trashige Boy-Meets-Girl Geschichten geht. Aber da erwarte ich auch nichts anderes.
Zu Schluss, damit dieser Beitrag nicht in einer Tirade über das Öffentlich-Rechtliche endet, die ich genauso an einem Stammtisch in Frankfurt-Sachsenhausen loslassen könnte, noch etwas Versöhnliches. Bevor wir gestern gestern vor dem Fernseher verblödeten, hatten wir einen Ausflug in Richtung des Lake Naivasha unternommen. Ich war noch nicht dort gewesen, und als wir den Rand der Hochebene erreicht hatten, zu deren Füßen der See liegt, fuhr ich unter lauten “WOW!!!”-Rufen beinahe in den Graben. Etwas schlaueres fiel bei diesem Anblick mir nicht ein., einfach nur “WOW!!!” Aus ein paar hundert Metern höher ist die Sicht frei auf eine endlose Ebene, ein erloschener Vulkan ragt darin fremdartig empor, und am Horizont liegt irgendwo die legendäre Masai Mara.
Ich hielt meinen khaki-bekleideten (jawohl!) Ellenbogen aus dem Fenster und fühlte mich plötzlich wie Hemmingway auf der Pirsch.
Wer braucht da noch Fernsehen?