Lieber Markus,
als ich las, wie prima das mit dem Zeitungsabonnement bei Euch klappt, dachte ich sofort an unsere hiesigen Handwerker. Da ich als männliche First Lady in unserem Haushalt für die Technik zuständig bin, habe ich anfangs noch gerne Elektriker, Schreiner und vor allem Klempner mobilisiert. Heute – fünf Klempner später – bin ich aus Erfahrung klug und mache alles selbst. Aber der Reihe nach.
Als wir in unser frisch renoviertes Haus einzogen, hatte es einen Wassertank mit etwa 2000 Litern. Das sollte genügen, dachten wir. Genügte aber nicht. Wenn tagelang kein Frischwasser nach kommt und außerdem die Leitungen ständig Leck schlagen, ist bald Ebbe im Tank. Also beauftragen wir den Klempner Nummer 1, Isaac, uns ein zweites, größeres Reservoir zu kaufen und zu installieren. Tage vergingen. Als ich eines Abends nachhause kam, lag der 4000 Liter Tank wie ein zwei Mal zwei Meter großer hässlicher Plastikeimer mitten im Vorgarten. Ich rief Isaac an und fragte, wann er den Tank installieren wolle. Morgen früh um Sieben, sagte er.
Am nächsten Tag wartete ich. Und wartete. Und dann noch ein bisschen. Gegen Neun rief ich Isaac an. Für mich damals noch neu, beantwortete er meine Frage, wo er denn bliebe, mit jenem magischen Zweikomponenten-Satz, der hierzulande jegliche Verspätung oder Vergesslichkeit entschuldigt: „I am on my way“. Auf die logische nächste Frage, wann er glaube, hier zu sein, antwortete er: „Any minute from now“.
Damals war ich noch Anfänger und gab mich damit zufrieden. Bald lehrte mich die Erfahrung, dass gut war, sich auf diese Art Dialoge entsprechend vorzubereiten und dabei folgende Eskalationsregeln zu beachten:
1) Zunächst frage man “Where are you?”, um herauszufinden, wo sich der vermisste Handwerker gerade aufhält.
2) Sollte mit “I am almost there” die übliche Antwort fallen, die suggeriert, der Handwerker stünde quasi schon vor der Türe, kontere man sofort mit einem durch entsprechende Betonung und Lautstärke deutlich inquisitorischeren “No, where EXACTLY are you?”. In nicht wenigen Fällen wird sich herausstellen, dass sich der Handwerker zur Zeit auf einer 200 Kilometer weit entfernten Baustelle aufhält und gar nicht daran denkt, demnächst vor der Türe zu stehen.
3) In diesem Fall ist Kapitulation angeraten. Beschimpfungen, Drohungen, Hinweis auf die eben durch Warterei verschwendeten Stunden sind sinn- und wirkungslos. Wer kann und hat, ruft einen neuen Klempner an.
4) Sollte sich der Handwerker jedoch wider Erwarten im Großraum Accra aufhalten, entgegne man mit fester Stimme, er habe sich sofort, aber wirklich SOFORT!!!, einzufinden, sonst…
5) Für das eigene Wohlbefinden ist es aber eigentlich besser, die Punkte 1 – 3 auszulassen und direkt, also schon nach dem “Any minute from now”, zum SOFORT!!! überzugehen. Nicht dass sich dadurch irgendetwas am Ablauf der Dinge ändern würde, aber immerhin hat man das gute Gefühl, das Menschenmögliche getan zu haben. Auch der klimatisch bedingt niedrige Blutdruck profitiert in belebender Weise davon. Außerdem spart es Zeit und Telefonkosten.
Klempner Isaac kam nicht. Nicht an diesem Morgen, nicht am nächsten, auch nicht nach einer Woche oder einem Monat. Er kam einfach nie mehr, und das trotz mehrfacher Dialoge nach obigem Muster. Nach zwei Wochen war ich den Anblick des hässlichen Plastikeimers im Vorgarten Leid und konsultierte Randolph, unseren Klempner Nummer 2. Der erzählte er mir sofort, wie er vor vielen Jahren von einem Entwicklungshelfer, einem deutschen Klempner, ausgebildet worden war. Sieben Jahre lang habe ihn der Meister gequält („He was so hard on me“), aber es hätte sich gelohnt.
Tatsächlich: Randolph kam, sah und verfasste einen Plan nebst Kostenvoranschlag. Das war wirklich ungewöhnlich. Normalerweise wird hier nicht lange gefackelt, sondern einfach gemacht, wie beispielsweise auch an meinem Arbeitsplatz, wo bei Virenproblemen die Festplatten der Computer schneller formatiert werden, als man „hast Du eigentlich Deine Daten gesichert?“ fragen kann. Meist sind sie dann weg. Dem Erfolg eines handwerklichen Unternehmens ist es also enorm zuträglich, wenn man sich schon in der – oft kaum wahrnehmbaren – Planungsphase einmischt.
Randolph erledigte seinen Auftrag bravourös, stellte eine knackige Rechnung und verschwand. Als ein paar Wochen später wieder einmal eine Leitung geplatzt und der gesamte Wasservorrat im Boden versickert war, bat ich ihn zu kommen. Prima, sagte er, gleich morgen früh könne es losgehen. Was dann geschah, oder vielmehr eben nicht, kürze ich hier etwas ab: Verspätet sich – I am on my way – Any minute from now – I am almost there – SOFORT! – Kommt gar nicht.
So kamen wir zu Klempner Nummer 3, Alex, den wir nach zwei guten Jobs und einem schlechten durch Nummer 4 ersetzen und diesen wenig später durch Nummer 5. An die Namen erinnere ich mich nicht mehr, wozu auch bei der Fluktuation. Klempner Nummer 6 bin ich selbst. Ich bin pünktlich, ehrlich, gewissenhaft, hoch motiviert und bei alledem noch preisgünstig. E.s sanftes Lob, wenn Küchenabfluss, Dusche oder Toilette wieder funktionieren, ist mir Lohn genug.
Viele Grüße aus Accra,
Michael