Alle Welt redet von Radioaktivität. Die Wolke nähert sich, unaufhaltsam. In SPON lese ich, dass Geigerzähler in Deutschland ausverkauft sind und sich auch die Hersteller von Jodtabletten mächtig freuen. Ärzte wiederum sagen, man solle besser die Finger davon lassen. Das klingt nach Hysterie. Ist sie echt – oder gibt es sie nur in den Medien? Und wie ist das in Kenia?
Wie ich heute morgen so aus dem Fenster schaue, in eine frühsommerliche Szenerie, wo Vögel heiter zwitschern und Blumen prächtig blühen, da dachte ich, es kann doch nichts Böses geben auf dieser Welt. Japan ist weit weg, Kernkraftwerke gibt es hier nicht. Fallout, egal woher er kommt, muss also ein Problem anderer Leute sein.
Eine nicht repräsentative Umfrage bei englischen Freunden sowie unserem Gärtner und unserem Wächter ergab folgendes Bild: Die Kenianer kennen das Thema aus der Zeitung. Ja, schon, da sei etwas passiert in Japan. Die kenianische Botschaft sei von Tokio nach Osaka gezogen. Eine kenianischen Sportlerin, die in Japan zu Gast war, habe zunächst als vermissst gegolten, tauchte dann aber unversehrt auf. Soweit also alles klar. Angst: keine.
Den Engländern ist das Thema etwas näher. Aber sie leben schon seit 16 Jahren hier. Und der wilde und ungestüme Straßenverkehr in Nairobi scheint ihnen viel gefährlicher, als eine Kernschmelze im fernen Japan. Deshalb bringen sie ihre Kinder in einem riesigen Geländewagen zur Schule. Ja, aber, ob sie denn nicht wenigstens Sorge um England hätten? Ach, naja, die werden das da schon irgendwie hinbekommen. Hat ja bisher auch immer geklappt. Remember Sellafield!
Ich bin ein Tschernobyl-Veteran. Natürlich war ich nicht dort. Aber ich fuhr mit dem Fahrrad in jener Nacht Ende April durch meine schwäbische Heimatstadt. Ich weiß noch, es regnete heftig, ich wurde nass, besonders oben. Am nächsten Tag an meiner Zivildienststelle großes Hallo und heftiges Diskutieren. Da hätte es Fallout gegeben. Fallout, dachte ich, das klingt nach Herunterfallen. Auf meinen Kopf. Ich tastete ihn ab. Soweit schien alles in Ordnung.
Also wie ist das nun? Gibt es jetzt eine Bedrohung für Deutschland, aber keine für Kenia? Damals, 1986, hörten wir von der Schweiz, dass die Behörden dort eine Gefahr verneinten. Wir witzelten, dass die strengen eidgenössischen Zöllner das Plutonium und seine Kumpane einfach an der Grenze abweisen würden. Auch die Einreise nach Kenia ist ja nicht ganz einfach. Man wird fotografiert, muss Fingerabrücke digitalerweise hinterlassen, eine Menge Formulare ausfüllen und Gebühren bezahlen. Wenn’s gegen Radioaktivät hilft, prima.
Wenn ich morgen mal wieder Sushi essen gehen, werde ich den Wirt jedenfalls vorsichtshalber fragen, woher eigentlich sein Thunfisch kommt.