Mein erstes Kindle (Teil 2)

Gestern habe ich fünf Gründe angeführt, die dagegen sprechen, anstatt Papierbücher von nun an ebooks zu lesen. Nachdem gestern niemand so richtig dagegen gehalten hat, muss ich heute alleine des Teufels Advokat spielen und dafür argumentieren. Hier also die Top 5 der besten Gründe, warum ein ebook die tollste Sache seit der Erfindung der Leselampe ist.

1) Bücher kaufen überall und nie mehr warten. Dieser Vorteil ist so offensichtlich wie langweilig. Der Krimi, bei dem ich mittlerweile bei 91 Prozent angekommen bin, wurde übers Internet angeliefert. Er wog nur 800 Kilobyte, und der Transfer dauerte wenige Sekunden. Ich erwähne es trotzdem, weil es Kenia nun mal weder die gut sortierte, sympathische Buchhandlung an der Ecke gibt, noch den viergeschossigen Buch-Megamarkt mit großzügigen Sitzecken und Kaffeeausschank. In einer der vielen Shopping Malls in Kenia gibt es zwar tatsächlich eine ganz ordentliche Buchhandlung. Leider liegt sie auf der anderen Seite der Stadt, und der Verkehr in Nairobi ist kein Spaß. Die Anfahrt dauert gerne eine Stunde.

2) Dicke Taschenbücher nicht mehr umknicken müssen. Das ist einer der Vorteile, die einem erst auffallen, wenn man das ebook in der Hand hält. Es ist mit seinen 241 Gramm nicht nur leicht, sondern mit ein paar Millimetern auch flach. Wer schon einmal versucht hat, Krieg und Frieden in der Taschenbuchausgabe im Liegen zu lesen, der kann sich nach ein paar Tagen beim Orthopäden anmelden. Die nötige Kraft, das Buch erstens in der Luft zu halten und zweitens am Falz so auseinanderzudrücken, dass auch der Text zur Buchmitte hin lesbar bleibt, ist enorm. Die Krämpfe in der Mittelhand gehen ohne Spritzen nicht weg. So komme ich nur zum Krieg, nie zum Frieden. Letztens fiel mir ein Hardcover auf den Schädel, weil ich beim Lesen eingeschlafen war. In ein ebook Lesegerät könnte man immerhin noch eine fliehkraftgetriebene Aufprallwarnung einbauen, so wie im Flugzeug: „Pull up. Pull up. Pull up.“

3) 3000 Bücher in der Socke immer dabei haben. Was für Kaffeeflecken gilt, ist auch für Kratzer wahr. Einmal auf dem Display und dann auf allen Seiten. Deshalb bestellt der ebook-Neueinsteiger am besten eine Schutzhülle mit. Bei mir ist das eine Art Tasche aus gestrickter Wolle, die irgendwie an eine Socke erinnert. Darin trage ich nun eine ständig wachsende Bibliothek mit mir herum. Angeblich sollen 3000 Bücher in den Speicher passen. Sie zu füllen könnte lange dauern und teuer werden? Nicht unbedingt: Wer Klassiker lesen will, der kann sich gratis beim Gutenberg-Projekt bedienen. Dort gibt es rechtefreie Bücher zum Download in Massen, zum Beispiel jede Menge von Charles Dickens, Jane Austen, Mark Twain usw. Die Buchhandlung, die Bücher verschenkt, ob rechtefrei oder nicht, möchte ich sehen.

4) Es sterben keine Bäume mehr. Amazon hat vor ein paar Wochen berichtet, 2010 in den USA mehr Elektrobücher als solche aus Papier verkauft zu haben. Das sollte doch einiges an Papier, Druckerschwärze, Energie für Transport und Lagerung sparen. Irgendwo habe ich gelesen, dass für die Herstellung eines durchschnittlichen Buches 4 Kilogramm CO2 anfallen. Ob da auch der Transport von USA nach Kenia schon eingerechnet ist, nicht zu reden von der Stunde Anfahrt zur Buchhandlung in Nairobi? Für die Übertragung eines Buchs auf das Lesegerät werden nur 0,1 Kilogramm in Luft geblasen. Das klingt doch nach einer guten Ökobilanz. Dumm ist nur, dass das ebook am Ende seiner Lebenszeit zur Ökobombe wird. Quecksilber, Brom und andere leckere Zutaten der Elektronik verderben den Spaß.

5) Bücher nie mehr ausleihen müssen. Pfui, wie asozial! Wirklich? Habe ich jemals ein Buch zurückbekommen, das ich ausgeliehen habe? Wollte ich jemals einer werden, der Listen über Verliehenes führt? Die Antwort lautet in beiden Fällen: nein. Ein ebook kann ich nicht verleihen. Solange ich kein Hacker bin, kann ich es auch nicht kopieren. Die Technik löst ein Problem, das auf die herkömmliche Art nicht zu lösen war. Falls ich mein ebook Lesegerät ausleihen würde, hätte ich damit sozusagen meine ganze Bibliothek weggegeben. Das würde ich so schnell nicht vergessen, auch ohne Liste.

Das war also der „große“ ebook Test. Es gäbe noch so viel zu sagen. Zum Beispiel, dass ein Buch zuklappt und ich meine Seite verliere, während das ebook Lesegerät nie vergisst, wo ich gerade war. Oder dass dort ein Dictionary eingebaut ist, mit dem ich während des Lesens schnell ein Wort nachschlagen kann. Und dass bei den meisten Büchern ein Kapitel als Leseprobe erhältlich, die man sich ebenfalls sekundenschnell schicken lassen kann. Pech, andererseits, wenn an der spannendsten Stelle die Batterie versagt.

Vorteile, Nachteile – wie bei vielen technischen Umbrüchen ist es für den Einzelnen vielleicht eine Geschmacksfrage, für die Masse aber eine unausweichlich. Die Dinger werden ihren Weg machen. Für den bildungsbürgerlichen Haushalt sind sie erst einmal keine Option. Keiner, der etwas auf sich hält, würde freiwillig die prestigeträchtige Komplettausgabe von Marcel Proust in einem kleinen grauen Gerät verbergen. Auch für die Besucher selbst ist es traurig; das schnelle Urteil über den Gastgeber durch einen Quickscan der Bücherwand fiele aus. Ob da der Coolness-Faktor des ebooks gegenhalten kann? Sicher nur, wenn es sich um ein Ipad handelt. Das ebook wäre auch das Ende von Billy, dem Bücherregal. Was kommt danach? Erik, der ebook-Halter? Also, jetzt weiß ich wirklich nicht mehr.