In der Titelzeile unseres Blogs steht es schon seit gestern: Der afrikanische Teil dieses Blogs berichtet von nun an aus dem Osten des Kontinents. Wir sind von Ghana nach Kenia gezogen, und dort, nach einer kleinen Pause in unserem Schweizer Alpenort, nun angekommen. Wie in Ghana, beginnt auch hier das Leben mit Schnorren bei Freunden und Kollegen. Worauf sollen wir auch sitzen und schlafen, womit kochen und woraus essen, solange der Umzugs-Container übers Meer schippert?
Ein Schiff wird kommen. Irgendwann. Gerne stelle ich mir zurzeit vor, wie ein somalischer Pirat gelangweilt am Steuer seines Schnellbootes lehnt und das Meer vor der Küste am Horn von Afrika nach lohnender Beute absucht. Wie viele Schiffe fahren dort täglich eigentlich vorbei? Wie hoch ist die Chance, dass ausgerechnet unseres, beladen mit unserem Container voller Bücher, Unterwäsche und Kochtöpfe, seine Aufmerksamkeit erregt? Würde er sich eher für jenes andere Schiff interessieren, das gerade unser Auto aus England herbringt? Ein paar tausend Autos zu rauben, das wäre vielleicht eher was. Aber den Piraten geht es ja sowieso nicht um den Inhalt, sondern nur ums Lösegeld.
In zwei Koffern kann man – verkürzt gesagt – zehn T-Shirts, drei Pullover, zwei Jacken, ein paar Socken, einen Anzug, drei Paar Schuhe und einige Bücher transportieren. Die Liste dessen, was dort nicht hineinpasst, ist bedeutend länger: Tisch, Stühle, Kaffeemaschine, Herd, Töpfe, Pfannen, Besteck, Bett, Bettzeug und so weiter. Deshalb war ich in den ersten Tagen nach der Ankunft damit beschäftigt, andere Leute anzubetteln. Eine Nachbarin borgte uns ein Bett, ein Leintuch und eine Decke. Eine weitere gab einen Tisch und zwei dieser Safaristühle, von denen einer sofort durchriss, als ich mich setzten wollte. Ein Kollege lieh uns einen Kühlschrank, der, voll unökologisch, immer Vollgas läuft und den Joghurt gefriert, dafür aber mit heiteren Aufklebern aus den späten Achtzigern überzogen ist, z.B. „Bringt die Birne aus der Fassung“ oder „Zwischen Leber und Milz ist immer Platz für ein Pils“.
Es ist ein seltsames Gefühl, wenn, abgesehen von zwei große Koffern und einer Reisetasche, sämtlicher Privatbesitz gerade auf dem pazifischen Ozean herumschwimmt. Noch seltsamer ist es, dass niemand genau weiß, wann die Sachen ankommen. Zum Beispiel unser Container, mit dessen Versand wir zwei Agenten beauftragt haben. Einer schickt ihn aus Ghana los, ein zweiter nimmt ihn in Kenia in Empfang. Wir haben beide befragt, wann der Container ankommt. Beide können mit einer eindeutigen Nummer seinen Weg verfolgen, so wie man das mittlerweile auch mit ganz einfachen Postpaketen tun kann. Und beide haben uns völlig unterschiedliche Daten genannt: Einmal den 9. Februar und einmal den 3. März. Wir kennen jemanden, der sechs Monate gewartet hat. Das ist nicht tröstlich.
Mit dem Auto ist es nur geringfügig besser. Letzten Montag sagte der Agent, das Schiff lege am Mittwoch an. Am Mittwoch sagte der Agent, das Schiff habe keinen Platz im Hafen vom Mombasa gefunden und sei erst einmal nach Tansania weiter gefahren. Nach Tansania? Mit unserem Auto? Wird es da nun ausgeladen und auf dem Landweg hierhergefahren, vielleicht entlang der Serengeti und dann am Kilimandscharo vorbei? Nein, da konnte er uns beruhigen. Das Schiff komme wieder, samt Auto, und werde nach neuesten Informationen am Sonntag anlegen. Wenn dann der hiesige Zoll nicht seine beliebten Verzögerungsspielchen spielt, brausen wir vielleicht schon kommende Woche im eigenen Wagen durch Nairobi.
Das alles kennen wir jetzt schon. So ähnlich war auch der Anfang in Ghana. Erst nach und nach komplettierte sich das Leben. Nun wurde der Reset-Knopf erneut gedrückt. Den Privatbesitz konnten wir mitnehmen. Die Freunde mussten wir zurücklassen. Mühsam erworbenes Expertenwissen ist wertlos, wo es gutes Waschmittel zu kaufen gibt, welche Straße wann verstopft ist und die Telefonnummer eines zuverlässigen Klempners.
Also alles wieder auf Anfang. Unser Haus liegt an einem kleinen See. In der Mitte liegt eine kleine Insel. Auf den Bäumen dort sitzen Kormorane. Regelmäßig fliegen sie auf und drehen laut kreischend ein paar Runden um den See. Dann setzen sie sich wieder. Murmeltiere, denke ich dann, ihr seid eigentlich Murmeltiere.