Wer ins Ausland fährt, muss meist eine andere Sprache bemühen. Englisch sprechen wir irgendwie alle. In Italien, Frankreich oder Spanien wird’s schon schwieriger. Wenigstens kann man sich dort auf bestimmte vertraute Dinge verlassen. Zum Beispiel, dass der Tag 24 Stunden hat. Kenia bietet auch hier eine echte Überraschung: Die Zeitrechnung hierzulande funktioniert ganz anders. Aber nur solange man Kisuaheli spricht.
Seit einigen Monaten lerne ich Kisuaheli, die Verkehrssprache Ostafrikas. Mittlerweile kann ich ohne zu stocken heißen Kaffee mit Milch ohne Zucker bestellen, deutlich weiter als bis Drei zählen und übers Wetter reden. Wenn ich meinen Wächter morgens um halbsieben mit “Guten Abend, ich hoffen haben geschlafen schön Du” begrüße, freut er sich und meint, ich mache doch Fortschritte, ehrlich.
Wer eine Sprache lernt, wird automatisch belohnt. Nicht nur wegen der neuen Verständigungsmöglichkeiten. Auch der Einstieg in die fremde Kultur fällt dann leichter. Denn schon bei Alltäglichkeiten zeigen sich oft erhebliche Unterschiede. Ein Beispiel: Aufwachen und Aufstehen ist in Kisuaheli dasselbe. In Deutsch dürfen diese beiden Ereignisse für mich gerne sehr weit auseinanderliegen.
Richtig erstaunlich wurde es, als ich während meiner jüngsten Kisuaheli-Stunde versuchte, die Vergangenheitsform mit der Angabe von Zeiten zu kombinieren. Mein Lehrer hatte ein Ziffernblatt aufs Flipchart und den Zeiger auf die 7 gemalt. Wieviel Uhr ist es? Das ist ja mal einfach, dachte ich, nahm das Wort für 7 (Saba), fügte die Phrase “Es ist … Uhr” hinzu (sasa ni saa…) und sagte stolz: “Sasa ni saasaba”.
Falsch, sagte er und grinste, der Sadist. Wieso, fragte ich säuerlich. Ganz einfach: Es sei nicht 7, sondern 1 Uhr. Mir blieb der Verstand stehen. Durch ähnliche frühere Vorfälle dieser Art gewarnt, sagte ich erst einmal gar nichts mehr, sondern lehnte mich nur erwartungsvoll zurück. Lass den Culture Clash kommen.
Die lokale Zeit, erläutert er, beginne mit dem Sonnenaufgang und Ende mit dem Sonnenuntergang. Sie dauert genau 12 Stunden, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Beim Aufwachen/Aufstehen um 6 Uhr beginnt der Tag bei null. 7 Uhr ist die erste Stunde, 8 die zweite und so weiter, bis wir um 18 Uhr abends die zwölfte Stunde erreichen und dann wieder von vorne beginnen.
Wer Englisch spricht, sagt die Zeit auf die eine Art an, wer Kisusaheli spricht, auf die andere. Ich brauche wirklich kein Sudoku. Fragt mich einfach, wie viel Uhr es ist.