Chef eines kleinen, florierenden Unternehmens (Teil 1)

Vor einigen Jahren sah ich einen Werbe-Spot, in dem auf einer Party eine Karrierezicke eine Hausfrau etwas blasiert fragt: „Und, was machen Sie so?“ Die Hausfrau antwortet scheissfreundlich, sie sei Chefin eines kleinen, florierenden Familienunternehmens. Derweil werden Bilder aus ihrem Alltag eingeblendet: Kinder, Küche und so weiter. Genauso fühlte ich mich gestern, als sich mein Leben nach und nach in eine Großbaustelle verwandelte.

Eigentlich hätte es ein ruhiger Tag werden sollen. Ich wollte ein bisschen schreiben, lesen und, ja, mich auch hin und wieder um die Handwerker kümmern, die wir einbestellt hatten. Ein wenig klempnern hier, ein wenig gärtnern da. Keine große Sache. Hier die Chronologie der Ereignisse.

08.00 Uhr
Unsere Haushaltshilfe, ein junger Mann, der in einem kleinen Nebengebäude wohnt, öffnet die Küchentüre und beginnt seinen Tag. Kleiner Smalltalk, ein paar Fragen, dann er an die Spüle, ich wieder an den Schreibtisch.

08.11 Uhr
Der Gärtner, der drei Mal die Woche zu uns kommt, stiefelt an der Balkontüre vorbei. Wünscht guten Morgen, hat ein paar Fragen. Wie dieser und jeder Busch geschnitten werden soll, was mit dem Gestrüpp der Kletterpflanzen auf dem Dach passiert. Gehe mit ihm durch den Garten, will dann weiterschreiben.

08.29 Uhr
Das Telefon klingelt. Der Wachmann ist dran. Vor dem Tor sei jemand, der herein will. Ich komme, sage ich. Am Tor steht ein sehr alter Mann. Etwas zahnlos. Was er denn will? Er komme wegen der Termiten. Ach, richtig, die Termiten. Lasse ihn rein, zeige ihm die vier Termitenester im Garten. Schreibe dann ein paar Zeilen.

08.43 Uhr
Gärtner und Termitenmann stehen vor der Balkontüre. Sie würden jetzt loslegen. Was er denn eigentlich für seine Termitenjagd haben will. 500 Kenia Shilling, also fünf Euro, pro Königin, sagt er. Prima, sage ich. Habe aber keine Ahnung, ob das ok ist.

08.59 Uhr
Sehe durchs Fenster, wie Termitenmann großflächig den Garten umgräbt. Will doch lieber mal nachschauen. Alles klar, frage ich. Aber sicher, sagt er. Wachmann steht daneben und schaut interessiert zu.

09.16 Uhr
Ich höre ein Auto hupen. Daraufhin klingelt das Telefon. Wachmann sagt, vor der Türe seien Leute. Ich komme, sage ich. Draußen steht ein Pickup mit drei Handwerkern drin. Wir kommen vom Vermieter. Aha, die Klempner, immer herein.

09.24 Uhr
Klempner sind jetzt einsatzbereit. Ich zeige hier einen tropfenden Wasserhahn, dort eine Leitung, bemängele den insgesamt schwachen Wasserdruck und deute aufs kaputte Waschbecken. Alle diskutieren erregt, leider in Suaheli. Worum es denn ginge, frage ich. Ach, eigentlich nichts, sie hätten halt nur alles besprochen.

09:37 Uhr
Endlich Ruhe. Ich schreibe. Dann Geheul eines Schlagbohrers. Gehe ins Bad. Dort liegt die halbe Wand in Trümmern. Die Klempner machen lange Gesichter. Die Schrauben des neuen Waschbeckens passen nicht zu den Löchern in der Wand.

10:02 Uhr
Höre wieder eine Hupe. Wachmann ruft an. Vor der Türe…, ja, ja, schon klar, ich komme!. Dort steht ein weiterer Kleinlaster mit drei Mann drin. Sie kämen wegen der Gartenabfälle. Richtig, im Gemüsegarten liegt ein riesiger Haufen abgeschnittener Äste und Blätter. Vormieter haben den Garten in einen „Kongo-Dschungel“ verwandelt. So nennt es der Vermieter. Wir dürfen das Chaos nun lichten.

10:21 Uhr
Setze mich an den Schreibtisch. Der Cursor blinkt immer noch ziemlich weit links oben. Mittlerweile arbeiten auf dem Grundstück nun 1 Wachmann + 1 Haushälter + 1 Gärtner + 1 Termitenjäger + 3 Klempner + 3 Abfallentsorger. Macht zusammen zehn Leute.

10:31 Uhr
E. ruft an. Wollte nur daran erinnern, dass heute die Handwerker kommen. Damit ich es nicht vergesse.

10:37 Uhr
Schaue durchs Fenster. Termitenmann winkt. Hat eine Termitenkönigin gefunden. Habe so etwas noch nie gesehen. Er hält sie mir auf einem Blatt entgegen. Sieht aus wie weißer Wurm, der so groß ist wie mein kleiner Finger und auf dem der Vorderkörper einer Ameise steckt. Eklig. Daneben eine etwa fingernagelgroße Termite. Das sei der König. Frage mich, ob das als Metapher für menschliche Beziehungen taugt.

10:43 Uhr
Wachmann ruft an. Meine Güte, noch jemand? Nein, er, der auch Elektriker ist, arbeitet heute an ein paar Leitungen für Sicherheitsleuchten. Zeigt mir alles, will gelobt werden. Lobe ihn.

10:51 Uhr
Gärtner hat Gestrüpp vom Dach gerissen. Ich soll mir das anschauen. Schaue es mir an. Dach wirkt jetzt leer. Aber vielleicht sind jetzt auch die vielen Insekten weg, die mit uns das Schlafzimmer teilen.

11:02 Uhr
Hammerschläge im Badezimmer. Schaue nach. Altes Waschbecken in Stücken. Ob es Probleme gäbe? Nein, nichts Besonderes.

11:17 Uhr
Nachbarin ruft an. Die, bei der wir Waschen und Bügeln dürfen. Wir könnten jetzt bei ihr Waschen und Bügeln, sagt sie. Schicke den Haushälter mit dem Krempel ein paar Häuser weiter.

11:24 Uhr
Haushälter ruft an. Wollte nur nochmal wissen, ob er für die Wäsche normales oder Feinwaschmittel nehmen soll. Fein, sage ich.

11:50 Uhr
Termitenmann hat zweite Königin gefunden. Neben ihm ein Eimer mit Millionen von Baby-Termiten. Unser Haushälter kommt dazu. Fragt ob er die Königin haben könnte. Das sei eine Delikatesse. Mir ist plötzlich nicht mehr wohl. Dabei ist doch jetzt gleich…

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