Die Zeitungen in Kenia sind gut gemacht. Layout und Druck stimmen, und neben den obligatorischen Endlosstrecken zur Landespolitik gibt es glücklicherweise auch leichtere Themen, Wochenendbeilagen, Restaurant- und Lebens-Tipps. Montag vergangene Woche, es war der Feiertag an dem die Kenianer zum 48. Mal ihre Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren begingen, brachte “The Standard” unter der Rubrik “Crazy Monday” eine Sonderseite “This Mad World”. Und in allen Geschichten, bis auf eine ganz kleine aus Indien, spielten weiße Europäer oder US-Amerikaner die schrägen Hauptrollen.
Auf der Seite „This Mad World“ stand zum Beispiel die groß aufgemachte Geschichte über eine Frau in England, die Blumen von Gräbern stiehlt. Begleitet wurde der Artikel von dem Bild einer Frau, die auf einer Wiese liegt und Blumen in der Hand hält. Schnell war klar, dass das Bild im besten Fall illustrativen Charakter hat. Denn noch sucht die Polizei nach der Blumendiebin, die von den Angehörigen per versteckte Kamera fotografiert worden war. Eines ist sicher: Es ist nicht die auf dem Bild in The Standard.
Darunter erschreckte den Leser die Geschichte von einem neunjährigen Schüler in den USA, der im Gespräch mit einem Klassenkameraden eine Lehrerin als “cute” (schnuckelig, hübsch) bezeichnet hatte und dafür von der Schule geflogen war. Das Bild zu dieser Geschichte zeigt zwei blonde Jungs in Norwegerpullovern und mit Rucksäcken in der Hand. Für meinen Geschmack sahen die Jungs ein wenig zu Englisch aus. Das schien seltsam, denn die Geschichte stammte aus dem US-Bundesstaat North-Carolina. Außerdem war der Artikel ziemlich verwirrend formuliert worden, deshalb wollte ich wissen, wie es wirklich war.
Schnell die Worte „Nine Year Old Schoolboy Cute“ gegoogelt, und ich fand jede Menge Treffer, die zur Originalgeschichte beim TV-Sender WSOCtv und zu ihren zahlreichen Wiederholungen in den Medien in den USA und Großbritannien führten. Beim Original wie auch bei jeder Wiederholung dieser Geschichte wurde sofort klar, dass es sich bei der Hauptperson definitiv nicht um einen kleinen blonden Jungen im Norwegerpullover handelte.
Die Frage ist: Was schließen wir aus einer Sonderseite voller schräger Geschichten inklusive einer Fälschung von Fakten? Dass der Journalist des kenianischen The Standard die Originalbilder übersehen hat, kann ausgeschlossen werden, denn sie sind überall im Netz. Dass The Standard vielleicht rechtliche Probleme durch das Kopieren eines Bildes aus dem Internet fürchtet, kann auch nicht der Grund sein, denn das kommt ständig vor. Verwendete der Journalist das Bild von den weißen Schuljungs, um diese zu verunglimpfen, oder vielleicht, um von umgekehrten rassischen Implikationen abzulenken, nämlich, dass es einer afro-amerikanischer Schuljunge war, er in den USA von seiner Schule schlecht behandelt wurde?
Letzteres hätte ich gerne angenommen, wäre da nicht ein paar Tage später ein weitere Geschichte erschienen, die in dieselbe Richtung geht. Diesmal ging es um eine Frau in einer festen Beziehung, die mit einem Liebhaber ein Kind zeugt, und im Beisein beider Männer auf die Welt kommt. Nun leben alle vier harmonisch zusammen unter einem Dach.
Eine Beziehungskiste wie diese mag sogar für diejenigen seltsam klingen, die mit der Hippie-Bewegung, Bagwan, 68er-Beziehungstheorien und freier Liebe sozialisiert wurden. Und für die kenianische Leserschaft klingt es vielleicht noch viel schräger, auch wenn in Kenia ja Polygamie erlaubt ist und auch praktiziert wird. Der entscheidende Unterschied ist: Polygamie steht natürlich nur Männern als Option zur Verfügung, ihr Liebesleben aufzupeppen. Wohl deshalb erschien diese Geschichte auch auf der Seite „It’s Life“ unter der Rubrik „The Bizarre“.
Soweit also die erste Medienschau dieses Blogs aus Kenia. Ist es Weißen-Bashing, die The Standard mit dieser Sammlung von seltsamen Geschichten betreibt? Die Frage muss erlaubt sein, denn es ist schon erstaunlich, dass in der zweitgrößten Tageszeitung Kenias, die so gut wie nie ein weißes Gesicht abbildet und auf höchstens ein bis zwei Seiten über das außerafrikanische Ausland berichtet, an dieser Stelle seitenweise Verrücktes & Bizarres aus der Welt der Weißen bringt.
Dass es von dort wirklich Erstaunliches zu berichten gibt, weiß ich spätestens seit ich das Buch eines Ghanaers gelesen habe, der nach England ausgewandert war. Dort spazierte er irgendwann im Supermarkt an meterlangen Regalen vorbei, in denen sich Dosen stapelten, auf denen Hunde und Katzen abgebildet waren. An unser libidinöses Verhältnis zum freundlichen Vierbeiner nicht gewöhnt, dachte er nur, wie seltsam es doch sei, dass die Engländer so gerne Hunde und Katzen in aus Dosen äßen.