Zu Beginn jeden Monats kaufe ich unseren „Mitarbeitern“, also dem Aufwartemann (nennt man das männliche Gegenstück zur Aufwartefrau so?), dem Gärtner und den Wächtern ein kleines Bonus-Lebensmittelpaket. Es besteht aus 100 Teebeuteln, einem Kilo Milchpulver und 2 Kilo Zucker, woraus die Herren den Tag über ihren Tee auf kenianische Art zubereiten: mit viel Milch und sehr viel Zucker, so viel, dass der Tee schon fast sirupartig wirkt. Bei meinem letzten Einkauf stand ich allerdings vor einem kleinen Problem.
Im großen Supermarkt, den ich trotz meiner Vorliebe für den kleinen hin und wieder doch aufsuchen muss, schiebe ich lange an meinem Einkaufswagen, bis ich Regal Nummer 27 erreicht habe. Dort stapeln sich für gewöhnlich auf etwa zehn Metern Länge die Zuckerpakete. Nicht nur in diesen kleinen 1-Kilo-Packungen, so wie wir das in Deutschland kennen, sondern auch in deutlich größeren Portionen, zwei, fünf und sogar zehn Kilo sind erhältlich.
Angebot und Nachfrage: Teetrinker verputzen Zucker hier esslöffelweise in einem Land, das zu den größten Zuckerproduzenten Afrikas gehört. Das Zuckerrohr sprießt überall und wird, in kleine Würfel gehackt, auch als eine Art Lutschbonbon verkauft. Deshalb staunte ich nicht schlecht, als das Zuckerregal völlig leer war. Ungläubig schob ich meinen Wagen in immer größeren Kreisen dreimal um den letzten mir bekannten Zuckerstandort. Vielleicht, dachte ich, wurde hier ja umgebaut.
Wurde es aber nicht. Ich fragte einen Verkäufer, der sagte, sie seien „out of sugar“. Dass ich für einen erfolgreichen Einkauf mehrere Märkte besuchen muss, kenne ich nun schon. Wer in Kenia Parmesankäse kaufen will, muss halt ein wenig strampeln. Aber Zucker? Alles lamentieren half nichts. Ich schwang mich ins Auto und fuhr zur nächsten Mall. Dort war die Situation jedoch dieselbe: sorry, out of sugar. Ähnliches gab es vor ein paar Wochen an den Tankstellen, als es hieß: sorry, out of petrol. Gut, dass wir mit Diesel fahren. Aber das half jetzt auch nichts.
Weil zwei Ereignisse mit etwas Phantasie schon eine Reihe bilden, wollte ich es etwas genauer wissen. Der Verkäufer erzählte, alle Zuckerfabriken Kenias seien wegen Überholungarbeiten abgeschaltet worden. Was Verkäufer so alles erzählen. In der Zeitung stand, dass es nicht genug Zuckerrohr auf dem Markt gäbe, und dass, tatsächlich, alle Zuckerfabriken Ende Juli mit ihrer traditionellen dreiwöchigen Überholung begonnen hätten. Alle auf einmal! Brilliant.
Eine andere Zeitung schrieb, es gäbe außerdem einen Rechtsstreit zwischen Zuckerimporteuren und der kenianischen Regierung, was zu einem zeitweiligen Einfuhrverbot von Zucker geführt habe. Und schließlich erzählte in einem Cafe später am Tag einer mit Verschwörermiene, das sei alles ein Komplott kenianischer Politiker, die damit Import von Zucker erzwängen und daran ein Vermögen verdienen würden.
Aus welchem Grund auch immer: Es gibt keinen Zucker, und das seit Ende Juli. Am Wochenende wollte ich mal wieder einen Kuchen backen, der musste leider ausfallen. Das erinnerte mich an meine Großmutter, die immer den Würfelzucker aus dem Cafe mit nachhause nahm, einerseits als Andenken, denn früher waren die Zuckerpäckchen meistens mit dem Logo des Cafes bedruckt, und zweitens für schlechte Zeiten. Tja, die Nachkriegsgeneration, da kann man noch was von lernen.
Und was machen meine Wächter und der Gärtner nun? Ich habe ihnen ersatzweise Honig angeboten. Den wollten sie aber auch nicht. Nun warten wir alle gemeimsan gespannt auf die Wiederkunft des Zuckers. Gleich nachher mache wieder meine Mall-Rundfahrt. Wenn alles nichts hilft, trinke ich mich durch die Cafes und klaue die kleinen Zuckertütchen. Hoffentlich gibt es dagegen noch keine Ganzkörperscanner.
PS: Ein paar Stunden später. Eben in Karen gewesen (wo Frau Blixen einst wohnte). Im örtlichen Supermarkt gab es noch zwei 500-Gramm Packungen. Habe sofort zugegriffen. Die Wächter werden sich freuen.