Auf dem Weg zu einem Restaurant halten wir an einer Kreuzung. E. schaut aus dem Fenster. „Seltsam“, sagt sie, mehr zu sich selbst, „es ist, als wäre da nie etwas gewesen.“ Ich verstehe nicht, was sie meint und schaue in ihre Richtung. Eine spärlich beleuchtete Straße führt von uns weg. Rechts davon ist es dunkel. Dort liegt die Westgate Mall. Um diese Zeit sollte sie hell erleuchtet sein. Doch die Lichter sind aus. Jetzt verstehe ich. Als wäre da nie etwas gewesen.
Leben
Die Gewissensfrage
Auf dem Weg zum Lake Magadi, einem Salzsee im Süden Kenias, sehen wir im Vorbeifahren eine Gestalt am Straßenrand stehen. Ein Mann im hellgrauen Anzug, in der linken Hand hält er ein Buch, mit der rechten winkt er. Möchte wohl mitgenommen werden. Wir sind hier fernab jeder Zivilisation, haben seit 20 Kilometern kein Auto, kein Haus und keinen Menschen mehr gesehen, und heiß ist es auch. Die Frage ist: Sollen wir, oder sollen wir nicht?
Alles unter Kontrolle
„Soso, hat man wieder Geld abgehoben?“ E.s Telefonstimme hat einen belustigten Ton. Ich sitze zuhause auf dem Sofa und frage mich erstens, woher weiß sie, dass ich vor ein paar Minuten am Geldautomaten stand und die Haushaltskasse wieder aufgefüllt habe, und zweitens, ob ich das auch lustig finden soll. Oder nicht.
Der Duft von Waschmittel am Morgen
Heute wieder Murmeltiertag. Aufgewacht und gleich gewusst: Einer muss einkaufen gehen. Wer? Ganz einfach. Der um 7 Uhr noch nicht im Taxi Richtung Büro sitzt. Also ich. Warte den Morgenstau ab. 9.30 Uhr ist eine gute Zeit. Setze mich ins Auto. Katze brüllt durchs Fenster. Hat Hunger. Mir egal. Starte den Motor. Der Diesel knattert und stinkt. Katze rennt weg. Problem gelöst.
Warum die Solarlampe meistens in der Schachtel liegt
Dies ist eine schlichte Geschichte. Sie dreht sich um einen Mann und eine Lampe. Der Mann ist Collins, unser Tagwächter. Er ist 1,85 groß, gut trainiert, redet gerne und hört genauso gerne zu. Die Lampe sieht aus wie ein großer Plastikbecher und ist solarbetrieben. Wir haben sie Collins geschenkt, weil er uns manchmal im Haushalt mithilft. Jetzt hat er Licht zuhause – und ein Problem.
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Die Qual der Wahl
In den letzten Tagen denke ich oft an Snickers. Nicht, weil viele Geschäfte geschlossen haben und der Schokoriegel nicht so einfach wie sonst erhältlich ist, sondern weil’s mal wieder länger dauert. Kenia hat gewählt, aber das mit dem Auszählen der Stimmen zieht sich. Was sich auch zieht, sind die Abende, denn während draußen Wahlkrimis geschrieben werden, bleiben mir nur die hölzernen Räuber und Gendarm-Spiele im ZDF-Vorabendprogramm.
Für die kleine Krise zwischendurch
Krise, ein schönes Thema. Für mich ein bisschen wie Angeln oder Fußball. Habe keine Ahnung davon, entdecke aber beim näheren Hinschauen ein faszinierendes Paralleluniversum. Im Zeitalter von Sharen und Liken will ich nicht egoistisch sein und die dort gesammelten Erkenntnisse etwa wie Krisenvorräte bunkern. Deshalb, hier, bitte sehr, die Liste der 10 wichtigsten Dinge, die ich durch die Krise gelernt habe.
Dosenobst und Hackfrüchte
Der Countdown läuft, Kenia steht vor den Wahlen. Beim letzten Mal, 2007/08, kam es in den Tagen nach der Wahl zu Unruhen, Vertreibungen und Mord. Alle waren erst völlig gelassen und dann überrascht, besonders das Ausland. Jetzt sind alle gar nicht mehr gelassen und wollen nicht mehr überrascht werden, besonders die Ausländer. Die örtlichen Botschaften schicken Krisenberatung per Mail herum, die Organisationen planen Telefonkaskaden, es gibt angeblich sichere Häuser, in die wir im Zweifelsfall fliehen sollen, und Evakuierungspläne.
Liquid Reality
9.00 Uhr morgens, am Strand von Sansibar. Das Wasser spielt hinter dem Riff Verstecken. Die Segelboote draußen tun, was sie tun müssen und segeln vorbei. Ein Sansibari namens Captain Sultan redet auf mich ein. Zwecklos. Denn leider befinden sich alle meine Gehirnzellen gerade im Selbstgespräch. Bitte haben Sie etwas Geduld, die nächste freiwerdende Gehirnzelle ist gleich für Sie da.
Höllentrip für Wolfgang
Morgens nehme ich mir in Nairobi die Zeitungen vor und warte gespannt darauf, dass sich wieder einmal ein Politiker im Ton vergreift. Dann wird wieder einer der kenianischen Stämme beleidigt, die X sind faul, die Y sind geldgierig und die Z gehörten sowieso totgeschlagen. Hassrede nennt man das. Nach den Wahlen 2007 haben solche Reden zu 1300 Toten und hunderttausenden Vertriebenen geführt. Gerne lehne ich mich dann zurück und denke, wie schön, dass es so etwas bei uns zuhause nicht mehr gibt. Dann lese ich Spiegel Online und Wolfgang Thierse versaut mir meinen Cafe Latte.