Einmal wache ich morgens auf und fühle mich so seltsam leer. Umständlich drehe ich mich von der einen zur anderen Seite, schließlich will ich Licht machen. Meine Hand greift ziellos irgendwohin. Es bleibt dunkel. Wie ging das noch? Starre an die Decke und denke scharf nach. Da war doch irgendetwas mit einem Schalter. Wo ist google, wenn man es braucht! Warte dann einfach bis es hell wird. So geht es auch.
In Kenia ist Arbeitskraft billig. Deshalb gibt es die unmöglichsten Jobs und ständig Leute, die einem alles abzunehmen. Das beginnt schon zuhause, wo den ganzen Tag über ein sehr freundlicher, aber vollkommen gelangweilter Wächter hinter dem Tor sitzt. Kaum komme ich nachhause und beginne meine Einkäufe in Plastiktüten aus dem Auto zu laden, stürzt er schon herbei und will sie mir abnehmen. Sehe ich so schwächlich aus, dass ich nicht einmal mehr einen Beutel Kartoffeln und eine Milchtüte 20 Schritte lang tragen kann?
Oder am Parkautomaten. Die gibt es hier neuerdings an den Supermärkten. Sie funktionieren im Prinzip so wie die in Deutschland auch, außer dass ein bis zwei Angestellte dort Tag und Nacht Dienst tun. Dienst am Parkautomaten? Ja, das geht, und beginnt schon an der Einfahrt. Nicht immer, aber oft, steht dort ein Mann, der für mich aufs Knöpfchen drückt und mir dann den Parkschein überreicht. Ich habe das anfangs nicht verstanden, bis ich ein paar Mal die verzweifelten Versuche von Fahrern riesiger Geländewagen beobachtete, die aus der luftigen Höhe ihrer Cockpits einfach nicht an den Automaten gelangen konnten.
Gänzlich absurd wird es dann beim Bezahlen. Neben dem Automaten steht ein Hocker, und auf diesem Hocker sitzt eine freundliche junge Frau. Während ich mich mit dem in der Hand ausgestreckten Parkschein dem Automaten nähere, steht sie auf und schiebt sie sich zwischen ihn und mich. Wortlos nimmt sie mir den Schein aus der Hand und steckt ihn in den Automaten. Dann liest sie den Betrag ab, der in großen Zahlen auf dem Display erscheint, dreht sich um und teilt ihn mir mit. ich drücke ihr daraufhin das nötige Kleingeld in die Hand, das sie wiederum in den Automaten steckt. Schließlich erscheint der Parkschein wieder, den sie entnimmt und mir übergibt.
Was kommt als nächstes? Werde ich demnächst im Restaurant gefüttert? Schreibe ich eine Stellenanzeige aus für einen staatlich geprüften Zähneputzer? Vielleicht finde ich ja sogar jemanden, der dieses Blog für mich schreibt, wenn ich mich einst nicht mehr daran erinnern kann, wie man den Computer anschaltet. Und eigentlich könnte ich doch auch einen Stellvertreter ins Fitnessstudio schicken, das würde mich wirklich entlasten.
Einige Wochen und viele entmündigte Zahlvorgänge am Parkautomaten später sitze ich in einem Cafe und bestelle ein Sandwich und ein Mineralwasser mit Kohlensäure. Die Flaschen sind hier mit einem Plastiksiegel gesichert, das üblicherweise der oder die Kellnerin für den Gast abfummelt, die Flasche öffnet und das Glas vollgießt. Heute aber vergisst sie es, und ich bin schon fast dankbar dafür, dass sie mich offenbar für fähig und in der Lage hält, die Flasche selbst zu öffnen und mir selbst einzuschenken.
In Gedanken an diese neu gewonnene Selbständigkeit fummle ich am Siegel der Flasche. Erst bekomme ich es gar nicht ab, dann in kleinen Stücken, es dauert mindestens zwei Minuten, bis ich das Plastik entfernt habe. Mittlerweile etwas ungeduldig drehe ich am Schraubverschluss. Von lautem Zischen begleitet entlädt sich der Druck explosionsartig und der Inhalt der Flasche ergießt sich über den Tisch, meine Zeitung und mich selbst. Seitdem sehe ich die Frau am Parkautomaten mit ganz anderen Augen.