Alle sind meine Feinde. Sogar Babaa hat sich gegen mich gewendet. Nachdem er mich vom Kindergarten abgeholt hatte, bogen wir an der Kreuzung anders ab als sonst. Da habe ich gefragt „anders fahrn?“ Und Babaa hat nur gemurmelt, „ja, heute fahren wir woanders hin“.
Er hatte mir wie üblich einen kleinen Apfelsaft für die Fahrt mitgebracht, hat ihn mir geradezu aufgedrängt. Da hätte ich misstrauisch werden müssen. Aber für echtes Misstrauen bin ich wohl einfach noch zu klein. Wird Zeit, dass ich erwachsen werde.
Der Apfelsaft hat gut geschmeckt. Wir fuhren und fuhren, und irgendwann kam mir eine Straße bekannt vor. Das war die, die entweder zu meinem Freund Georgieboy führt, oder zum Doktor. Von Georgieboy hatte Babaa nichts gesagt. Ich ahnte Schlimmes und sagte vorsichtshalber, „kein Doktor?!“ Da rückte Babaa endlich mit der Wahrheit heraus und sagte, „nur ein kleines bisschen.”
Wir parkten und stiegen aus dem Auto. Auf dem Weg in die Praxis legte mich Babaa noch einmal rein und ließ mich die Knöpfe am Fahrstuhl drücken. Als wir im ersten Stock ankamen, war es natürlich zu spät. Ich lief zwar so langsam ich konnte, aber Babaa nahm mich einfach auf die Schultern. Der kennt wirklich alle Tricks. Klar machte das Spaß, und ehe ich mich’s versah, waren wir auch schon beim Doktor durch die Türe.
Da kam schon diese Arzthelferin vorbei, die mir letztes Mal die Spritzen in die Oberschenkel gegeben hat. Miststück. Eine links, eine rechts, und das obwohl ich doch ausdrücklich gesagt hatte, „kein Aua, kein Aua.“ Die soll mir mal im Dunkeln begegnen.
Erst musste ich dort warten, wo das Spielzeug liegt und der Fernseher an der Decke hängt. Immerhin etwas. Dann sagte Babaa, ich sollte mal mitkommen. Mitkommen, na klar. Kenne ich ja von zuhause. Und bin gleich wieder drauf reingefallen. Ich bin ja so naiv.
Wir gingen in den Behandlungsraum. Kaum waren wir drin, kam die Arzthelferin rein. Als sie sich die Plastikhandschuhe anzog, wusste ich, was hier gespielt wird. Ich natürlich sofort zur Tür, aber Babaa hielt mich fest und faselte irgendetwas, das ist gut für Dich, sonst kriegst Du Masern, Windpocken, Mumps und solches Zeug.
Kenne ich nicht, brauche ich nicht, und ist mir egal. Diese Spritzen sind echt kein Spaß für so ein Baby wie mich. Dass Babaa sagt, das sei alles gar nicht so schlimm, ich sei ja schließlich schon groß und stark, kann er sich auch sparen. Abends geht das nämlich genau andersherum. Ich sei doch noch so klein und müsste jetzt schlafen gehen. Ganz, wie es ihm in den Kram passt, dem Herrn Babaa.
Ende vom Lied: zwei Spritzen habe ich abbekommen, eine links, eine rechts. Ich brüllte laut, die Schwester lachte sogar, die blöde Kuh, und Babaa sagt, „na, so schlimm war’s doch gar nicht, oder?“ Er hat zwar Recht, es tut schon gar nicht mehr weh, aber darum geht es hier nicht, sondern ums Prinzip.
Jedenfalls habe ich ihm dann knallhart Bescheid gesagt. Dass ich jetzt sofort hier raus will, und zwar vor den Fernseher, da bei den Spielsachen. Normalerweise ist er beim Fernsehen gucken ein bisschen geizig, aber jetzt war er weich wie Butter. Hat wohl ein schlechtes Gewissen. Den Trick muss ich mir merken.
Nach einer Weile ist es mir doch langweilig geworden. Ich war da ganz allein, keine anderen Kinder da. Na, kein Wunder, bei dem Service hier! Babaa hing am Tresen herum und schwatzte mit der Sprechstundenhilfe. Irgendetwas mit „neuer Termin“ habe ich verstanden, aber leider weiß ich nicht, was ein Termin ist.
Ich durfte wieder auf die Schultern, die Knöpfe am Fahrstuhl drücken, im Auto war noch ein Rest Apfelsaft, wir sangen „Von den blauen Bergen kommen wir…“ zusammen, und wenn es mir zu schnell ging, sagte ich „lamsam Babaa“, weil er immer so flott fährt.
Ist insgesamt kein schlechter Kerl, kann auch super Spaghetti mit Tomatensoße kochen. Nur bei der Sache mit dem Doktor, da werde ich in Zukunft besser aufpassen müssen. Ich glaube, das nennt man Misstrauen. Erwachsen werden – here I come. Keine Minute zu früh, ich bin ja schließlich bald drei.